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Von Affen, Menschen und warum wir alle Liebe brauchen

Ich möchte schon seit vielen Stunden etwas Kluges schreiben. Ich schiebe eine Menge Ideen hin und her, aber es will nicht richtig etwas werden. Stattdessen denke ich auf einmal ständig an Harrys Affen, die mir vor Jahren in einer Psychologieeinführungsveranstaltung begegnet sind. Ich habe es eigentlich schon aufgegeben mit den Gedanken in meinem Kopf, bis ich diesen Text lese. Genauer gesagt, lese ich den Text und einen Kommentar dazu auf Twitter. Dort schreibt jemand, wer mit Emotionen die US-Wahl kommentiert, ist hypersensibel, wenn nicht gar hysterisch und hat die ganze Sache nicht verstanden (Demokratie halt). Die Überheblichkeit macht es mir klar. Plötzlich weiß ich, wieso ich an die Affen denke. Und warum ich eigentlich nicht darüber schreiben wollte und gewartet habe, dass noch eine sehr intelligente Analyse in meinem Kopf entsteht. Mir waren Emotionen auch im ersten Impuls zu wenig. Aber das sollten Gefühl nie sein. Deshalb erzähle ich jetzt von den Affen.

Irgendwann in den 1930er Jahren fing Harry Harlow an, Experimente mit Affenbabies zu machen, indem er ihnen mit Absicht Liebe entzog. Es läuft mir immer kalt den Rücken runter, wenn ich überlege, wie er die kleinen Affen ihren Müttern wegnimmt, um sie in einen kalten Raum (vermutlich mit Betonwänden) zu bringen. Es hat eine verzweifelte Traurigkeit, wie er den Affen nach und nach Attrappen als Ersatzmütter (oder Väter oder Ersatzbezugspersonen) anbot. „Sag mir, kleines Baby, welche Mutter magst du lieber? Die aus Draht oder die, die noch mit einem weichen Handtuch umwickelt ist?“ – „Oh, du magst die lieber, an die du dich kuscheln kannst, obwohl die andere dir Milch geben würde…“ Wie man 30 Jahre Forschung braucht, um herauszufinden, dass Lebewesen andere Lebewesen, Berührungen und Nähe brauchen, ist mir ein Rätsel. An eines der herzzerreißendsten Details erinnere ich mich so. Wenn man die kuschelige Attrappe in einem Raum voller neuer Eindrücke stelle, fingen die Babys an, sich diesen neuen Gegenständen zu nähern. Weil sie sich immer wieder in den Schutz der Mutter zurückziehen konnten. Wenn man die Attrappe entfernte, waren sie sofort von der neuen Situation überwältigt und machten nichts mehr außer verzweifelt auf dem Boden hin und her zu rutschen, zusammengekauert wie kleine Fellbündel.

Ich dachte an die Affen, weil mich ihre Geschichte an eines erinnert: Dass wir alle, tief in unserem Inneren, nur eines brauchen. Und dieses Eine braucht so wenig. Unter all diesen Wünschen nach größeren Häusern und erfolgreicheren Karrieren, wollen wir alle nur ein bisschen Liebe, ein bisschen Anerkennung und echte Nähe. Wenn wir sie bekommen – von unseren Eltern, Partnern, Freunden und Freundinnen, Vorgesetzten, oder einfach nur eine Gruppe von Menschen, die uns nahestehen, dann umklammern wir sie, wollen mehr, genießen sie mehr und leben mehr. Wenn sie uns versagt bleibt, weil wir vernachlässigt werden oder isoliert sind, gerät alles durcheinander.

Es ist Freitag. Bei den Meisten von uns liegt vermutlich eine anstrengende Woche hinter uns. Vielleicht versuchen wir trotzdem morgen ein klein wenig mehr zu lieben. Keine Drahtmutter zu sein, die nur das Nötigste gibt und keine flauschige Attrappe, die auch nur Zuwendung verteilt, wenn jemand ausdrücklich danach verlangt. Schauen wir mal, was passiert, wenn wir aktiv unsere Nähe anbieten. Eine extralange Umarmung, eine aufrichtige Nachfrage, eine Überraschung, ein Kuss. Was passiert wohl, wenn sich jemand einer Unterstützung, einer liebevollen Nähe sicher sein kann? Wenn wir als Menschen eigentlich wissen, was wir brauchen, was wir wollen, sollte es uns nicht peinlich sein, es zu bekommen und zu geben. Oder darüber zu schreiben.

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Geliebt zu werden macht uns stark.
Zu lieben macht uns mutig.

Laotse

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Foto: flickr – John Lambert Pearson – CC by 2.0

9 Kommentare

  1. Pingback: Frier‘ doch, Bitch! | makellosmag

  2. Das ist ein wirklich schöner Text! Und vor allem den Hinweis darauf, mehr zu geben, als bloß „notwendig“ ist, finde ich gut. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen nie negativ darauf reagiert haben, wenn ich mehr Freundlichkeit und Anteilnahme gegeben habe, als nötig war. Überrascht, perplex, vielleicht sogar vorsichtig, aber es war nie jemand böse. Man darf sich nicht selbst wichtig nehmen und glauben, man hinterlässt an jedem Menschen Spuren, aber ich mag den Gedanken, dass man wenigstens kleine gefühlvolle Momente mit anderen Menschen teilen kann, wenn man nur etwas mehr gibt als das Mindestmaß.

    Lange Rede kurzer Sinn: Ich mag deinen Text!

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