Dies ist der erste Beitrag in meiner neuen Rubrik Die Kritik. Er könnt daran mitschreiben, wenn ihr mögt.
Zum DVD-Start von The Revenant habe ich nun auch den Film gesehen, der Leonardo endlich den Oscar beschert hat. Eines vorneweg: Seit ich ihn zum ersten Mal durch ein Aquarium erblickte – damals hieß er noch Leo und die Haare fielen ihm pittoresk ins Gesicht – kann Leonardo DiCaprio bei mir eigentlich nicht viel falsch machen. Ich finde, er ist ein großartiger Schauspieler. Mein Fazit lautet trotzdem: The Revenant ist lang. Sehr lang. Es gibt viel Leid. Unglaublich viel Leid. In sehr viel natürlichem Licht. Das ist nicht so spannend, wie es sich anhört.
Er ist ein Schmerzenswesen dieser Mann. Und Hugh Glass ganz besonders. Leonardo DiCaprio spielt den Pelzhändler in der Wildnis dieses irgendwie-schon-eine-Weile-besiedelten-aber-noch-nichts-mit-Zivilisation-Amerikas, in der Wunden faulen und Männer sich unentwegt am Kopf kratzen. Damals, als die Natur noch rau und die Menschen von den Urkämpfen des Daseins umgetrieben wurden: Wo kriege ich etwas zu Essen? Es muss auch nicht gebraten sein.,Wer will mir gerade etwas wegnehmen und Wer schießt zuerst: ich oder der Fremde? (Manche haben das heute wieder im Programm.) Als es noch um die wirklichen Existenzprobleme ging und keine Mütter zum Muttertag rumjammerten, dass sie statt Blumen lieber ordentliche Kinderbetreuung hätten.
Frauen gibt’s da nicht so viel. Und wenn, erleiden auch sie eine Menge Schmerz oder flüstern den Helden mit Durchhalteparolen durch zweieinhalb Stunden.
Denn Glass wurde nach einem Bärenkampf von seinen Fellhändler-Buddies vermeintlich sterbend zurückgelassen und ist nun auf dem Weg zurück. (Hier ist der Titel noch Programm).
Der Hype um den Film entstand natürlich, weil über jedem Epos mit Herrn DiCaprio mittlerweile die Frage stand: Und, wird’s diesmal was? Und ja, Leos Bandbreite an schmerzverzerrten Gesichtern und gurgelnden Lauten lässt sich durchaus mit einer Goldstatue rechtfertigen. Auch sein Gegenspieler Tom Hardy, als Mann mit menschlichen Abgründen und Augenbrauen, die jeden Höhlenmenschen neidisch machen würden, spielt wirklich gut.
Leider bedarf es mehr als guter Schauspieler, um einen Film interessant zu machen. Dieser ist über weite Strecken (Ich erinnere: zweieinhalb Stunden.) einfach langweilig. Man bekommt: dramatische Musik, zum größten Teil gar keine oder unverständliche Dialoge (Dieser Bär war wirklich gründlich und hat alles an Glass kaputt gemacht.) und – zugegeben – schöne Naturaufnahmen. Kinematographisch wird gern hervorgehoben, dass der Film mit soviel natürlichem Licht arbeitet. Ja, der Film sieht hübsch aus. Aber ich gehe auch selten nur wegen der Kulissen ins Theater. Ich mag Filme mit Handlung. In The Revenant wechselt sich – Achtung, Spoiler – Leid mit schönen Aufnahmen von Schnee mit unerträglichem Leid, noch mehr Schnee und hübsch fotografierten Steinen ab. Um dann mit noch mehr Leiden, unterbrochen durch einen kurzen Lichtblick über Schnee, Steine und Bäume hinweg, weiterzumachen. Und schließlich bei Elend und Schmerz zu enden.
Eine gute Szenerie kann in Filmen auch die Handlung mittragen und in sich genauer erklären. Aber für sich genommen, ist sie keine Handlung, bietet keine Charakterentwicklung und keine Story. Mit The Revenant geht man auf eine kleine Achterbahnfahrt auf der Suche nach dem Plot. Die geht ungefähr so: „Der Film sieht gut aus. Ein spannendes Abenteuer vielleicht.“ – „Ok, Blut und splitternde Knochen aber noch nicht viel Spannung. Aber könnte trotzdem eine interessante Story werden.“ – „Gut, dann schauen wir uns eben zehn Minuten Baumkronen und Stromschnellen an.“ – „Mhm, jetzt haben wir eine Menge Wasser und Bäume gesehen.“ – „Hey, jetzt geht’s aber weiter mit den Charakteren…Oder auch nicht.“ – „Jetzt passiert was Spannendes, ich hab’s im Gefühl.“ – „Oh, noch eine Baumkrone.“
Am Ende hat man sehr lange dagesessen, um einer Geschichte zu folgen, die man auch in zwanzig Minuten hätte erzählen können. Aber man hat viel schönen Schnee und eine Menge Natur gesehen. Das ist mir ein bisschen dünn.
Leo, das ist nichts Persönliches, falls die deutsche Verwandtschaft, deine Mutter oder deine aktuelle Modelfreundin den Blog liest. Ich schaue auch deinen nächsten Film wieder, versprochen.
Foto: flickr – Marc Becher – CC by 2.0
Tatsächlich schaue ich Filme im Kino nicht für die Handlung, sondern für tolle Bilder und Atmosphäre. Denn … tolle Handlung kommt auf dem Fernseher zu Hause genauso rüber, dafür muss ich nicht ins teure Kino.
Entsprechend mochte ich den Film, ich habe Atmosphäre gesucht, ich habe Atmosphäre bekommen :D
Ich fand den Film auch lang, aber nicht langweilig – auch ohne viel Plot. War ja mehr ein „Wann kriegt er den Kerl endlich?“
Und die Bären-Szene und „Was ein Bär anrichten kann“ mochte ich. Man neigt ja dazu, zu unterschätzen, was Bären für Mordviecher sind …
Ich oute mich mal, ich fand ihn auch laaaangweilig.
Krass, mir ging es komplett anders. Ich hätte noch viel länger zuschauen können, der Film hatte für mich eine absolute Sogwirkung, und das nicht nur durch Leos unfassbare Darstellung einer Person, die nichts mehr zu verlieren hat, sondern vor allem aufgrund der wunderschönen Naturaufnahmen und der unglaublichen Spannung durch die fantastische Musik, die alleine schon den Trailer so bemerkenswert anders gestaltet hatte.
Spannend, aber finde ich super. Dann haben wir jetzt zwei Meinungen (mein Text und eure Kommentare) und jeder kann wieder selbst entscheiden. 😂
Einspruch. Der Film bietet grandiose filmische Sequenzen für das, was er bewirken soll: Er wirft den Zuschauer vor historischem Hintergrund und eingebettet in die nordamerikanische Wildnis auf existentielle Fragen des Lebens zurück und handelt dabei Themen des ursprünglichen Überlebens, der Gier, der Gewalt, des Verlusts und des Verrats ab, aber auch solche der unverrückbaren elterlichen Liebe, der Treue, des Anstands und der Sehnsucht nach Familie. So groß die Themen auch sind, der Film wird nicht pathetisch, vielmehr kommt er reduziert und in wesentlichen Teilen ruhig daher. Da mag der eine oder andere aussteigen, lässt man sich hierauf aber ein, so hinterlässt der Film einen starken Eindruck, bei mir einen sehr positiven. Letzteres durchaus auch bezogen auf den Hauptdarsteller.
Jetzt bin ich mir noch unsicherer, ob ich mir das Teil doch noch ansehe.
Mich kratzt Leo grundsätzlich schon herzlich wenig und die wenigsten Filme, die der in den letzten Jahren so gemacht hat, waren wirklich meins, aber bei „The Revenant“ war es eben auch wirklich so, dass ich den zwar wegen dem „Kriegt er jetzt endlich seinen Oscar?“-Hype auf dem Schirm hatte, aber mich immer gefragt habe, worum es darin jetzt eigentlich gehen soll. Klar, irgendwie Natur, Überlebenkampf und ein Bär, aber der Rest? (Normalerweise bekommt man ja schon über die üblichen Posts, Kritiken etc. den groben Plot mit.)
Na ja, mal sehen, aber sozusagen „blind“ auf DVD werd ich mir den Film jetzt wahrscheinlich wirklich nicht holen.
Gern gelesen!
Schade, dass dir der Film nicht so gut gefallen hat. Ich mochte ihn schon ziemlich gerne, aber klar ist das kein Film den man auf die Schnelle nochmal guckt. Leo und Tom Hardy sind toll, aber ich mochte halt auch einfach wirklich Schnitt und Kamera und Sound. Das kann die dünne Story nicht komplett ausgleichen, macht mir beim Zugucken aber richtig viel Spaß.
Ist auch schön, dass wir mal nicht ganz einer Meinung sind. Mir wurde das schon unheimlich, weil ich so oft mit dir übereinstimme, wenn du bei dir Filme und Serien besprichst. :-)
Andy Warhol’s Campell’s Soup Cans sind bessere Schauspieler.
Och, das ist jetzt selbst mir zu hart. :-)
Hallo, ich bin über die Grimmeseite hergekommen und habe mich gerade festgelesen und schwupps steht da was Neues. Also dachte ich, ich sage mal, wie schön die Texte sind. Viele Grüße, Steffi
PS: Der Rückkehrer fand ich zwar einen sehr guten Film, aber dein Text hat genauso viel Spaß gemacht. Upps, ist das jetzt eine Beleidigung, weil du ihn nicht gut fandest?