Körpernormen und Schönheitsideale sind allgegenwärtig. Und es gibt den Versuch einer achselzuckenden Leichtigkeit, die diese Ideale ad absurdum führen will. Auch hier im makellosmag. Ich freue mich über diesen sehr persönlichen Gastbeitrag. Er zeigt, wie verdammt schwer das Weglächeln sein kann. Die Autorin möchte anonym bleiben.
Ich war immer mollig. Mit 16 entschloss ich mich, Vegetarierin zu werden und verlor ein bisschen Gewicht. Ich dachte mir, wenn ich schon ein paar Kilo runter habe, kann ich auch eine Diät machen. Also machte ich eine Diät. Es war eine ordentliche Diät, denn ich wusste viel über Ernährung. Seit ich 12 war, ging ich regelmäßig zu einer Ernährungsberaterin. Meine Mutter hatte damals entschieden, dass es eine gute Sache für mich wäre. Ich bin ihr dankbar dafür. Sie hat mich immer akzeptiert, wie ich war und war damit einer der wenigen Menschen, der das tat, als ich 12 war.
Ich aß damals gern Gummitiere und trank Fanta.
Aber ich musste wegen gesundheitlicher Beschwerden auch Hormone nehmen. Diese Hormone und die Pubertät, die langsam einsetzte, hatten zur Folge, dass ich nochmal Gewicht zugenommen hatte. Meine Beschwerden wurden schlechter mit der Gewichtszunahme, mit dieser gesundheitlichen Beeinträchtigung geht es einem am Besten, wenn der BMI im Rahmen ist. So kritikwürdig auch das BMI-Konzept an sich ist, ist es einfach noch für vieles eine Richtmarke. Deshalb hatte meine Mutter entschieden, mich in professionelle Hände zu geben. Nach und nach wurden die Symptome besser und ich musste weniger Tabletten nehmen.
Trotzdem war ich mit 16 nicht dünn. Ich erinnere mich genau an die Zahl auf der Waage. Ich fühlte mich schlecht. Ich hasste es, dass man bei meinen Klassenkameradinnen die Hüftknochen in der Umkleide sehen konnte. Und außerhalb der Umkleide sah man über dem Rand ihrer T-Shirts diese Knochen unterhalb des Halses, die man auch immer bei Hollywoodstars sieht, wenn sie schicke Abendkleider tragen. Bei mir gab es beide Knochen nicht. Ich trug, egal bei welchem Wetter, weite Shirts und Schals.
Nachdem ich mich für die Diät entschieden hatte, verlor ich schnell Gewicht. Man machte mir Komplimente und sagte, dass ich glücklich aussehe. Mein Freund sagte, dass er Angst hätte, dass ich mir nun einen anderen suchen würde. Damals war meine Haut straff, ich hatte kaum Cellulite und feste Brüste. Je niedriger die Zahl auf der Waage wurde, desto mehr zusätzliche Haut hatte ich, meine Brüste wurden schlaff und ich hatte überall Cellulite. Gewicht zu verlieren, heißt nicht, dass man seinen Körper automatisch liebt. So zu bleiben, wie man ist, heißt auch nicht, dass man seinen Körper liebt.
Dein Gewicht hilft dir nicht mit deinem Kopf.
Ich brauche keine Telefonnummer von Selbsthilfegruppen, es gibt Menschen, die sich gut um mich kümmern. Deshalb weiß ich, dass ich mich dicker wahrnehme, als ich tatsächlich bin. Dass ich zuviel über meinen Köper nachdenke. Dass es nicht gut ist, dass ich ihn nicht komplett akzeptieren kann. Ich weiß das und ich akzeptiere es. Es ist ok.
Es ist in Ordnung, seinen Körper nicht zu mögen. Wenn es mir Druck macht, ihn lieben zu müssen oder zu erreichen, dass er mir egal ist, dann ist das nicht richtig. Dann darf ich ihn nicht mögen, wenn das einfacher ist. Es ist mein Körper und es sind meine Gefühle ihm gegenüber, also ist es meine Entscheidung.
Ich muss meinen Körper nicht lieben, nur weil jemand das sagt.
Ich bin nicht schwach, weil ich ihn nicht lieben kann. Ich habe nicht zu wenig zum Thema gelesen oder nicht intensiv genug hinter die Kulissen der Schönheitsindustrie geblickt. Ich habe auch nicht zu selten bei meinem Therapeuten gesessen. Ich mache das, was mir gut tut und jeder sollte sich um seine eigenen Sachen kümmern.
Es ist eine gute Sache, dass wir uns heute alle bemühen, dass Körper in allen Formen und Farben uns umgeben und wir uns dafür stark machen, sie alle zu akzeptieren, wie sie sind. Aber macht mir kein schlechtes Gewissen, weil ich Selbstliebe nicht kann. Erklärt mir nicht, ich könnte das Eis ruhig essen, es würde mir gut tun oder ich hätte es verdient. Schiebt mir nicht das Knabberzeug und die Pommes hin und macht Witze über diese Tage, an denen man einfach alles essen muss. Für euch ist es einfach. Für mich nicht. Ich denke darüber nach, was ich esse. Ich sorge mich, wieder dick zu werden. Bemitleidet mich deswegen nicht. Schaut mich nicht von oben herab an. Es begleitet mich, aber es ist nicht schlimm. Ich habe meinen Frieden damit gemacht, dass ich so denke. Es ist meine Angelegenheit, nicht eure.
Foto: flickr – zhouxuan12345678 – CC by 2.0