Ich habe mir vorgenommen, dass mein nächster Post sich nicht um meinen momentanen körperlichen Zustand dreht – also Verbot für alles mit Bäuchen & Babys. Das wird hart. Bringen es doch solche Zeiten mit sich, dass man nachdenkt – über das Leben, sich selbst & Dinge wie das eigene Alter. Damit habe ich prinzipiell kein Problem, weil ich gern jünger geschätzt werde. Und trotzdem zucke ich immer kurz zusammen, wenn ich Bachelor-Praktikanten bekomme, die mal locker Mitte der 90er geboren wurden.
Vor Kurzem wurde ich dann im öffentlichen Nahverkehr Zeugin eines Gespräches zwischen zwei – ich bin sehr schlecht im Alter schätzen – vielleicht 25jährigen. Die beiden gingen die To Do – Listen in ihren Smartphones durch (Generation Y mit Biss) & die eine offenbarte der anderen ihre Frageliste zur Selbstevaluation am Ende eines jeden Monats: Habe ich das Bett neu bezogen und meine Periode gekriegt? (Kann vermutlich in Korrelation zueinander stehen.); Wurde die eigene Mutter angerufen (sehr löblich) & habe ich mit meinen Freunden ein tiefer gehendes Gespräch geführt? Schließlich: Habe ich im Job Außergewöhnliches geleistet & hat es jemand bemerkt, damit es steil aufwärts geht?
Ich hätte ihr gern gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen muss, weil sie garantiert eine große Karriere im Bereich der Selbsthilferatgeber, Frauenzeitschriften-Kolumnen oder als Business Coach vor sich hat, habe mich aber nicht getraut. Meine Gedanken hingen auch zu sehr an dem, was jetzt folgte. Die Freundin warf nämlich ein, ihre einzig wichtige Frage am Ende des Monats wäre: War ich langweilig? Und fügte hinzu, das wäre nicht als Verlängerung der Bettlakenwechselfrage zu sehen. Sicher gäbe es Monate, in denen das Wetter grau ist & nichts Aufregendes passiert, außer dass man endlich die abgelaufene Milch im Kühlschrank entsorgt. Aber wenn man in ein paar Jahren gefragt wird: Was ist die eine aufregende Sache, die du im Oktober 2015 gemacht hast? – dann sollte einem etwas einfallen.
Es ist eine ganze Weile her, dass ich abgelaufene Milch entsorgt habe. Das Maximum, was ich aufbieten kann, ist ein Frischmilchengpass, der aus dem H-Milch Lager gefüllt wird. Ich nehme an, das würde nicht durchgehen & muss der Wahrheit wohl ins Auge sehen. Ich bin langweilig. Was mir nichts ausmachte. In meinem Altersweisheitskokon fühlte ich mich nämlich ziemlich überlegen, lächelte wohlwollend in mich hinein & dachte: Ach, Mädels.
Fast Forward zum nächsten Tag im Büro, als ich wieder mit den Großen spielte & mir meine Überheblichkeit schnell verging. Weil mir etwas auffiel. Mögen die Mitte 20jährigen sich darum sorgen nicht langweilig zu sein. Die Mitte 30jährigen & aufwärts sind dafür immer total beschäftigt, haben den Kopf voller Projekte & sind busy as a bee. Mal ehrlich, gefühlt wird die Frage „Wie geht’s?“ zu 99,9% mit Sätzen wie „Oh, viel zu tun.“ beantwortet. Wir sind alle wahnsinnig beschäftigt. So viel zu erledigen. Verrückt.
Ich gebe die Standardantwort auch gern. Ja, das Leben kann hektisch werden. Arbeit, Kinder, Twitter & schon wieder die Wäsche in der Maschine vergessen. Kennen wir alle.
Aber beschäftigt zu sein ist eben nicht nur Ausdruck einer Situation, sondern auch so ein bisschen kulturell geprägte Ehrenmedaille, die man sich gern umhängt, oder? Macht irgendwie wichtig, wenn man immer am Summen ist. Es gibt Leute (keine Eltern), die müssen anderen mitteilen, wie wenig sie geschlafen haben, um XY fertig zu stellen. Hier gibt es Schnittmengen zu denen, die beim After-Work-Drink zugeben, dass sie nie sofort auf Mails antworten. Weil sonst der Eindruck entstehen könnte, sie hätten nichts zu tun. Die gleichen Leute stocken dann gern kurz, wenn man fragt, was genau sie denn gerade machen. Die Frage überrascht sie & das ist kein Wunder. Wir stellen sie nämlich genauso selten wie wir so gut wie nie von uns aus erzählen, was wir gerade zu tun haben, sondern es einfach in das Überwort kleiden.
Busy ist das Buzzword für Große. Frisch aus der Evolution der Langweiligkeitsüberlegung quasi. Es ist nichts anderes. Aber es ist doof. Es ist nichtsagend & hat den Stallgeruch von leichtem Angebertum. Deshalb nehme ich mir jetzt vor, es nicht mehr inflationär zu verwenden. Sondern lieber konkret zu erzählen, was ich gerade tue. Oder was mich stresst:
- Ich könnte schreien beim Gedanken an den Zustand des Badezimmers.
- Ich bin traurig, dass eine gute Freundin wegzieht.
- Ich muss unbedingt noch meinen Feedreader durchlesen.
Schöner Nebeneffekt: keiner unter 30 kann mich mehr für langweilig halten.
Foto: flickr – Alan O’Rourke – CC by 2.0
Das kenne ich auch nur zu gut. Bin wohl eine nicht besonders repräsentative 25-Jährige… Deinen Vorsatz werde ich mir jedenfalls auch mal vornehmen!
Bestimmt waren sie erst 20 :-)
Ich habe ja den Verdacht, es ist eher ein Büroding als eine Altersfrage. Sobald man ins Büro- oder Arbeitsleben eingespannt ist, macht sich der Geschäftigkeitstroll breit und die Aufregung rückt in den Hintergrund. Dann hat man ja auch oft naturgemäß weniger Zeit für aufregende Erlebnisse und lange Nächte. Lieben Gruß!
Geschäftigkeitstroll, gefällt mir <3