Gerade hat der Sohn noch Barack Obama im Bademantel (mit Initialen!) begrüßt, da kommen die britischen Royals wieder um die Ecke. Kate Middleton ist auf dem VOGUE-Cover. Die Artikel überschlagen sich mit dem Lob der Natürlichkeit. Lässig lehnt sie auf dem Gatter. Und trägt kaum Make-Up. Nur ein strahlendes Lächeln. Prompt folgt der Link zwischen Äußerem und Persönlichkeit. Wir erfahren: die Bilder spiegeln die Herzogin eins zu eins wieder. So ist sie, natürlich und ungezwungen. Zum Shooting ist sie selbst gefahren – mit Lockenwicklern im Haar. Kate – die Königin der Natürlichkeit. Die Frau, die den Eyeliner für ihre Hochzeit selbst geführt hat. Woohoo. Die nicht so viel Wert auf Drumherum legt. So als Mutter. Und toll ist das doch, dass sie sich zeigt, wie sie ist. Ein Beispiel für viele Frauen. Gräme dich nicht, natürlich darfst du sein. Wenn die Kate das auch macht.
Natürlichkeit. Das Einhorn unter den weiblichen Beautystandards. Wir wissen, Natürlichkeit bedeutet trotzdem schön sein. Keine Pickel und maximal kunstvoll zerzauste Haare. Echte Natürlichkeit muss hingegen keiner sehen. Das bekam Kate 2013 zu spüren, als bei einem öffentlichen Auftritt ein grauer Ansatz zu sehen war.
Natürlichkeit heißt nicht weniger Schönheitsarbeit. Es heißt nur „Mühelos gelingt mir alles, spielend sehe ich so gut aus.“ Eine Heerschar von Stilisten braucht es trotzdem, um so auszusehen. Aber die Arbeit, die ins Äußere gesteckt wird, trägt man eben nicht mehr vor sich her. Natürlichkeit ist auch Abgrenzung – gegenüber vermeintlich Unnatürlichem, (zuviel Make-Up, zu viele offensichtliche Gedanken ums Äußere). Ein sozialer Trend, der „natürlich“ als überlegen definiert. Das gilt nicht nur für Haare und Haut, sondern zum Beispiel auch für Essen. Dabei hat diese Art der natürlichen Schönheit so wenig mit Mühelosigkeit und Entspanntheit zu tun wie die Jagd nach den richtigen Lebensmitteln auf dem Wochenmarkt.
Ein Schwa(t)zkopf-Video, das den Undone-Look (Meine Haare sehen aus, als hätte ich nichts dran gemacht.) erklärt, kommt auf drei Minuten. Ein durchschnittliches youtube-Tutorial zum Nude-Look (Make-Up, das aussieht wie kein Make-Up.) auf fünf. Rechnen wir mal mit 200 Tagen im Jahr – man ist ja auch mal krank – macht das 1.600 Minuten.
26 Stunden investiert in die Überlegenheit der Natürlichkeit. Unter diesem Paradigma ist alles gut, was natürlich aussieht: Gesichter, Brüste oder tolle Haare. Unabhängig davon, ob sie es sind. Was zählt ist der Standard. Und die Erreichung nach den vorgegebenen Regeln. So spaltet Natürlichkeit Frauen. In die, die es richtig machen. Und die Fakes. Standards der Natürlich- und Mühelosigkeit (siehe alle DOVE-Kampagnen-jemals) erweitern die Definition von Schönheit nicht. Sie stellen sich nicht gegen Schönheitsstandard, sie schaffen nur einfach einen neuen. Deshalb ist es egal, ob Kate „natürlich“ oder mit Drag-Queen-Make-Up posiert. Es ist kein Zeichen für niemanden.
Foto: British Vogue/ Instagram
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Und diese Natürlichkeit kostet natürlich…eine Kate kann sich rein finanziell leisten, wie frisch vom Traktor gefallen auszusehen. Denn vor dem Photoshooting stehen Jahre eines Schönheitsprogramms, gute Ernährung, wenig Stress, genügend Zeit fürs Frischlufttanken und die natürliche Sonnenbräune…was man halt so braucht, um gut und gesund zu leben.
Dieses Privileg haben viele der Normalos, die man so in der Fußgängerzone antrifft, eher nicht.
NB: Gratulation zur Nominierung, TOTAL verdient. Ich habe natürlich sofort mitgevotet.
Da hast du noch einen guten Punkt beschrieben. Und vielen Dank. :-)
Schonmal auf die Kommentare im Screenshot geschaut? „Sie sieht aus wie ein Mann!“ (Dazu reicht in der Sehgewohnheit der/des Kommentierenden wohl ein brauner Hut mit einem unprätentiösen Hemd?) „In Wirklichkeit sieht sie viel besser aus!“
Eine Frau ist wohl nur dann beautiful, wenn sie wie EineRichtigeFrau(tm) aussieht. Der Mode folgt. Sich feminin inszeniert.
Dabei ist das Foto weit entfernt von der Abbildung einer androgynen oder gar maskulinen Frau…
Nur so am Rande…
Ja, habe ich auch gesehen. Hatte ursprünglich auch eine Passage dazu im Text (Uns wird gern erzählt, Männer mögen es natürlich und die denken dann 1.600 Minuten sind Natürlichkeit.). Ist dann aber nach erneutem Nachdenken rausgeflogen, weil ich fand, es passt nicht zum Thema. Solche Kommentare bräuchten einen eigenen Text, den es sicher mal gibt, denn unter den meisten Beiträgen zu prominenten Frauen begegnen mir miese Kommentare zum Äußeren (als ob man eine Frau damit am Meisten treffen könnte) – übrigens so mein Eindruck, von Männern wie Frauen gleichermaßen.
So schön natürlich… Ich warte noch auf den Tag an dem die Welt meinen Aknenarben huldigt. Bis dahin gibts jeden Morgen zwei Schichten gut deckendes Make Up und noch ein wenig Rouge, um schön natürliche Bäckchen auf die Make-Up-Maske zu zaubern.
Finde gerade das Hug-Emoji nicht. Danke für deinen persönlichen Kommentar.
Sie können von mir auch gerne mal ein natürliches Shooting für die Vogue machen, in meinem natürlichen Lebensumfeld mit fleckiger Jogginghose, zu lange getragenem, fleckigem Shirt, ungekämmten Haaren und Augenringen. So sieht meiner Erfahrung nach eine Muter mit einem Kind unter eins aus.
Sollte sich die VOGUE jemals melden, machen wir das zusammen.
Mir fällt dazu gerade etwas anderes ein – wenn ich darf? Wir machen uns ja alle gerne Gedanken über den Schönheitsdruck, der auf Frauen lastet und wie schwierig es ist, dann natürlich zu sein oder sein zu dürfen. Eigentlich stimme ich allem zu, was man sich dazu so denken kann. ABER …
Gehe ich durch eine normale deutsche Innenstadt, vormittags um 11, nachmittags um 17:18 Uhr, wann auch immer, dann sehe ich einige Frauen, die mir unglaublich gut gefallen (aus den unterschiedlichsten Gründen), ein paar, die mir unangenehm sind (ebenfalls diverse Gründe) und einen ganz großen Teil nehme ich als „Menge Mensch“ wahr. Schaue ich an manchen Tagen genauer, stelle ich fest: der Großteil läuft ungemacht und ungestylt herum. Sprich: die Frauen, die sich wirklich (wiederum aus diversen, guten wie schlechten, Gründen) zeitaufwendig zurecht machen, sind deutlich in der Minderheit.
Die Frage ist nur, was das heißt? Bedeutet es, der Druck kommt nur bei wenigen an? Sind die meisten eher unglücklich-resigniert oder gleichgültig-glücklich?
Lustig, beim Veröffentlichen habe ich kurz gedacht, ob du wohl mal wieder kommentierst, ist ja dein Thema :-) Interessante Beobachtung, kann ich so nicht teilen. Aber ich sehe große Unterschiede bei verschiedenen Gruppen, junge Mädchen z.B. sehe ich gestylt oder Frauen zwischen 30 und 40 in meinem beruflichen Umfeld. Da nimmt man auch einen Tag Urlaub, um vor der kurzfristig angesetzten Präsentation nochmal zum Friseur zu gehen.
Ach, ich habe doch in letzten Wochen kaum was mitbekommen, konnte mich auf nichts ohne bunte Bildchen konzentrieren.
Ginge ich nun in – wie soll ich sagen? – Teilmengen hinein, dann sähe das sicherlich anders aus. Also beispielsweise im Büro dürften die meisten wohl einem gewißen dresscode folgen und sich auch entsprechend frisiert und bemalt zeigen. Oder die Kundinnen einer Edelboutique – auch dort werden sich wohl die meisten von ihrer besten Seite zeigen, damit die Anprobiererei so frustfrei wie möglich verläuft. Aber wenn du einfach eine Menge Frauen auf der Straße siehst, dann schau mal nach denen, die du nicht bemerkst. Da sieht es deutlich anders aus. Am besten vielleicht zur Mittagszeit oder nach Feierabend, damit ein guter Querschnitt erreichbar ist.
Was mich viel mehr als der Wunsch nach perfektionierter Natürlichkeit stört (die natürlich künstlich ist, aber das war er schon immer: selbst die natürlichen englischen Gärten sind nur deshalb der Prototyp perfekten Gartenbaus geworden, weil alles unschöne entfernt wurde: Unkraut ist bäh, Stolperfallen auch und zu viel echte Symmetrie auch – es muss freundlich und pitturesk sein, um uns an den Busen der Natur zu wünschen), was mich also viel mehr stört, ist die Selbstverständlichkeit, mit der wir eine Art Pornokünstlichkeit als kaum noch unschön zu empfinden haben. Ich hoffe, das verwächst sich: die Frau als Spielfläche für jede noch so alberne Plastikfantasie ist etwas viel neueres und bedrückenderes für mich.
Letztenendes hat sich eines halt nicht geändert: wie frau ist, ist es immer irgendwie verkehrt – immer geht noch mehr.