Es gibt so viele schöne Worte für dieses unterschätzte Gefühl: nörgeln, mosern, granteln, grollen, rummaulen. An manchen Tagen und manchmal auch ein paar Tage länger, mag ich es ausgiebig zu nörgeln. Alles doof hier, nein, nichts kann es besser machen, kein Eis, kein Sonnenschein, keine positive Affirmation aus irgendeinem Podcast, einfach Decke über den Kopf und Tür zu. Gut, Decke über den Kopf funktioniert mit Partner und Familie zugegebenermaßen nicht mehr so gut über Tage, aber das nörgelige Zurückziehen, das Anerkennen meiner eigenen schlechten Laune ist tatsächlich auf meine Liste der kleinen, schönen Dinge gewandert (Ja, ich sehe die Ironie.), weil es mir guttut, meine schwarze Weltsicht einfach zuzulassen. Ausgiebiges Nörgeln kann bei mir ähnlich wie Weinen eine sehr reinigende Funktion haben. Ab und an spüre ich es sogar körperlich, dieses Gefühl, dann schüttele ich mich, stöhne oder boxe in die Luft.
Nörgeln geht gut zu zweit mit Nörgelpartnerinnen, aber um ehrlich zu sein, nörgele ich lieber allein, meistens nach außen still und nach innen grummelnd vor mich hin. Beim Partnernörgeln muss ich zuhören und werde auf die Nörgelanlässe von anderen gestoßen. Die sind aber gar nicht meine Eigenen und gelegentlich halte ich sie auch insgeheim nicht für ausreichend schlimm, um sich darüber zu beschweren. Dabei gibt es kaum etwas Unbefriedigenderes, als aus Versehen beim falschen Nörgelpartner zu landen. Womöglich bei solchen, die die unabwendbare Tristesse der eigenen Situation nicht ausreichend anerkennen und einem zu früh mit aufmunternden Sätzen aus dem doch gerade so behaglich eingerichteten Loch heraushelfen wollen. Es ist selten, dass man auf dem gleichen Nörgellevel schwingt, in Nörgelsymbiose bin oft nur mit mir selbst.
An meiner entspannten Nörgelbeziehung musste ich auch erst arbeiten. Natürlich kenne ich die ganze positive Psychologie: Pessimisten bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Das Glas ist halb voll. Du bekommst das, was du mit deinen Gedanken anziehst. Schon klar.
Aber unser Gehirn ist eben evolutionär auf das Negative getrimmt, weil es einfach sinnvoller war, den Säbelzahntiger hinter dem Busch zu vermuten als die gute Fee. Und wer bin ich, ihm tausende Jahre Entwicklung auszutreiben? Mein natürlicher Impuls ist nun einmal am Tiefpunkt davon überzeugt zu sein, dass das jetzt wirklich das Ende ist. Klar raubt Nörgeln erstmal Energie, aber die tanke ich später wieder auf. Denn das Schöne am ausgiebigen Nörgeln ist ja: Irgendwann ist es immer wieder vorbei, irgendwann gehen mir die Negativszenarien und die Lust aufs Schwarzsehen aus, irgendwann tauche ich wieder auf mit dem ehrlichen und nicht konstruierten Gefühl, dass es vielleicht doch nicht alles ganz so doof ist wie gedacht.
Im November schreibe ich über kleine schöne Dinge, weil ich finde, dass unser Alltag gute PR brauchen kann. Mehr dazu hier. Es ging bereits um Kuchenpakete, fehlende Unterbekleidung, Müll im Briefkasten und ungelesene Bücherstapel.
Meine Kollegin und ich haben im Home Office ein kleines Ritual gefunden. Einmal in der Woche haben wir ein „Fachgespräch“. Dabei gehen wir in Windeseile Zweifelsfälle durch und schimpfen (oder nörgeln) den Rest der Zeit über Gott und die Welt.
Ein Traum! Es gibt sie also doch, die Nörgelsymbiose.