Kinder & Küche
Kommentare 9

Ich mag den Muttertag

Morgen werden mich kleine Arme umarmen und mir dicke, feuchte Küsse aufdrücken. Ich werde ein selbstgemachtes Bild von einem Blumenstrauß bekommen. Ganz kleine zusammengeknüllte Seidenpapierkugeln wurden aufgeklebt und bilden den Blumenstrauß. Es sind sehr viele kleine Kugeln. Ich weiß, wie lange das gedauert haben muss, bis aus den Kugeln der Strauß wurde. Und wie ab und zu die Konzentration meines Kindes verloren gegangen sein wird. Aber ich weiß von der Person, die ihr dabei geholfen hat, dass es sich nicht hat ablenken lassen. Weil sie dieses Geschenk für ihre Mama unbedingt fertig machen wollte. Mein Mann wird mir einen Kuss aufdrücken und „Danke“ sagen. Einen Kuss, der ein wenig länger dauert als sonst, wenn der Alltag oft nur Aneinandervorbeigehusche für uns bereithält. Wir werden uns anblicken und uns verschwörerisch anlächeln wegen des ganzen Wahnsinns, den wir hier jeden Tag wuppen. Meine 75jährige Nachbarin ist morgen nicht da, aber hat mir schon Pralinen vorbei gebracht. Ich mag Pralinen nicht besonders, aber ich habe mich trotzdem gefreut.

Morgen ist Muttertag. Ich bin gern Mutter und ich mag den Muttertag. Ich freue mich über die Anerkennung dessen, was ich als Mutter leiste. Oft genug bekomme ich ausweichende, irritierte oder böse Blicke, wenn meine Kinder vermeintlich öffentliche Abläufe stören. Ich finde es schön, wenn die Menschen einmal im Jahr inne halten und überlegen, was Mütter leisten und was für ein Geschenk Kinder sind. Ich freue mich über das Privileg Mutter sein zu dürfen. Ich denke an die Bekannten, an die Freundinnen, an die Frauen, die ich kenne, die nicht Mutter werden können. Bei denen es aus verschiedensten Gründen ein unerfüllter Wunsch bleiben wird. Ich denke an die Frauen in der Geschichte, in anderen Teilen der Welt, denen Kinder entrissen wurden, die man zwangssterilisiert hat oder denen Mutterschaft so zur Last wird, dass es ihnen verwehrt ist, sie so genießen zu können wie ich. Ich finde es schön, wenn die Menschen morgen Fotos von ihren Müttern in die sozialen Netzwerke spülen, wenn sie wieder einmal anrufen.

Es gibt Tage für dieses und Tage für jenes, Tage mit fragwürdiger historischer Entstehungsgeschichte. Für vieles gibt es noch keine Tage, für Überflüssiges vielleicht zu viele. Zum Muttertag will man mir in der Werbung mal wieder den Augenbrauenstyler verkaufen, den ich auch für die Bikinizone benutzen kann. Aber das war am Valentinstag auch so. Überall ist Emotionalität und Mutterliebe. Die Väter fehlen oft ganz. Und keiner packt mir einen Kinderbetreuungsplatz oder einen Rentenbescheid mit der doppelten Summe ein. Das ist doof. Aber darüber werde ich mich an den anderen 364 Tagen im Jahr ärgern. Und bevor der Kommentar kommt: Fände ich es nicht besser, wenn man, statt nur an einem Tag, einfach jeden Tag im Jahr Mütter und Frauen und Väter und Männer und überhaupt alle Menschen ohne Vorbehalte wertschätzen würde? Klar. Weltfrieden und endlich Sommer da draußen fände ich auch besser.

Vor einiger Zeit schrieb mir jemand, wieso in allen meinen Social Media – Profilen „Mom“ steht. Ob denn die Bezeichung Mutter meine Persönlichkeit definieren würde, so an vordester Stelle? Die Antwort ist einfach: „Ja, das tut sie.“ Und das tut sie sogar anders als bei meinen Mann. Auch, weil ich diese Kinder neun Monate im Bauch trug und geboren habe. Das Schöne ist aber, sie schließt auch nichts anderes aus. Für mich zumindest nicht. Natürlich bekomme ich mit der (Selbst-)bezeichnung „Mutter“ einen ganzen Rucksack an Ansprüchen und Ideen mitgegeben, wie ich zu sein habe. Da geht es mir ein bisschen wie dem Muttertag. Ihn deshalb nicht haben zu wollen, in dieser Form, in der ich einfach lieb gehabt, anerkannt und gefeiert werde, fände ich irgendwie komisch. Es ist ein bisschen wie mit den Leuten, die sich zum Geburtstag oder zu Weihnachten nichts schenken, weil sie es irgendwie unehrlich finden, weil es so angeordnet ist. Und weil man sich ja das ganze Jahr über „einfach so“ etwas schenken kann. Das Problem an der Sache ist nur: Die Meisten machen es dann nie.

Foto: flickr – Chung Ho Leung – CC by 2.0

 

9 Kommentare

  1. Kari sagt

    Ich habe heute, Montag, einen Anruf vom Sohn bekommen. Das schlechte Gewissen kroch förmlich durch die Leitung in mein Ohr: er gratulierte mir nachträglich zum Muttertag.
    Das war sehr schön.
    Er ist manchmal ein wenig verpeilt. Mein Sohn halt, in jeder Beziehung.
    LG Kari

  2. In den letzten Tagen ist ja über den Muttertag viel im Netz geschrieben worden. Ich bin auch gerne Mutter, aber ich muss diesen Tag nicht haben. Schön war es trotzdem, dass meine Jungs gekommen sind.
    Wäre es im Zuge der Emanzipation eigentlich nicht auch mal angebracht, den Vatertag ähnlich dem Muttertag zu gestalten? Ein Dankeschön an die Papas wäre doch mal was, damit sie nicht immer nur mit dem Leiterwagen durch die Gegend ziehen müssen.
    LG Sabienes

    • Ich kenne das ehrlich gesagt aus meiner Umgebung gar nicht mehr mit Bollerwagen und Saufen am Vatertag. Die Väter in meiner Umgebung machen da ziemlich selbstverständlich was mit ihren Familien.

    • Mom sagt

      Je nun, wenn die Papas sich, gesamtgesellschaftlich gesehen, ebenso ins Zeug hauen würden wie die Mamas…auf Klassenelternabenden aller Stufen sind immer noch 80-90% Mamas vertreten; die Papas machen sich da eher einen schlanken Fuß. Anderswo läuft es, fürchte ich, nicht anders.

  3. Katharina sagt

    Die Aufmerksamkeit für die Anliegen von Frauen ist allerdings an solchen Tagen besonders groß. Deshalb macht es hier mehr Sinn, sich zu ärgern als an den anderen 364.

    • Das stimmt. Aber ich finde, man muss nicht jede andere Art von Anerkennung z.B. fürs Muttersein oder Kindergeschenke usw. ablehnen, um mehr zu fordern, oder?

  4. Jule sagt

    Ich habe in den letzten Tag so viel gelesen, dass Frauen den Muttertag nicht mehr haben wollen, und damit meine ich nicht, dass sie mehr wollen gesellschaftlich, sondern ihn ablehnen, dass ich dir mal wieder für diesen Text danke. Ich glaube, wir bringen uns um einen Teil unserer Identität, wenn wir glauben, dass es nur voran geht, wenn wir bestimmte Dinge ganz weit hinter uns lassen. Und dazu gehört auch die selbstverständlich liebende Mutter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert