„Es ist was es ist, sagt die Liebe.“ schrieb der Dichter Erich Fried (und sang später die Band MIA). Und damit sollte eigentlich alles gesagt sein. Ist es aber leider oft nicht. Jamie hat in diesem Monat einen sehr persönlichen Gastbeitrag geschrieben, der irgendwie wieder zu Fried zurückführt. Analysiert die Liebe nicht, sagte er in seinem Gedicht, aber vor allem auch – beurteilt sie nicht. Danke Jamie für deine Offenheit und deine wunderbaren Sätze.
Das erste Mal verliebt sein ist wohl etwas, das niemand vergisst. Das erste Kribbeln im Bauch, die Vorfreude, das Verlangen, dem Menschen nahe zu sein. Und doch wurde ich dafür ausgelacht und gehänselt. Denn ich verliebte mich nicht in einen Jungen, wie sich das für ein Mädchen nun mal gehört. Nein, mein Herz blieb bei Frauke hängen.
Frauke hat von diesem Gefühl nie erfahren. Denn nachdem ich mich meinen Schulkameradinnen anvertraut hatte, haben sie mich damit aufgezogen. Danach wollte ich dieses Gefühl nie mehr für eine Frau empfinden. Ich verdrängte es, trieb mich mit Männern herum, empfand sie als super Kumpels und führte Beziehungen mit ihnen. Aber mir fehlte immer etwas. Dieses gewisse Etwas, von dem alle gesprochen haben und was mich immer von ihnen wegtrieb. Viel Unruhe war in mir, irgendetwas fehlte immer. Ich begriff erst sehr spät, dass ich vieles ausprobierte, damit diese Lücke gefüllt wird. Vielleicht muss Mensch im Leben eben doch nicht alles ausprobiert haben.
Doch dann wollte ich dieses Gefühl nicht mehr verdrängen, dieses Gefühl, welches mich immer zu Frauen hinzog. Beim queeren Stammtisch war ich plötzlich wieder 13 und die Gefühle wieder so präsent wie eh und je. Diese Frau, sie haute mich um, ihr Duft, ihre Stimme, ihre Intelligenz, ihr Aussehen. An dieser Frau stimmte einfach alles. Meine Pubertät holte mich ein und mit ihr eine große Unsicherheit. Viele Ängste und Gedanken plagten mich. Wie ist das nur mit einer Frau, wird mir nicht auch dort wieder etwas fehlen? Wie ist das mit der Geborgenheit, der Sicherheit in den Armen einer Frau und vor allem, wie ist das so ohne Penis?
Ein One-Night-Stand ist etwas anderes, als eine Beziehung mit einer Frau einzugehen. Ich wollte mir sicher sein und nicht nur mal ausprobieren, denn das hat keine verdient.
Nach intensiven Gesprächen, einigen Treffen und viel Gefühl kam der erste Kuss, das erste Austauschen von Zärtlichkeiten und plötzlich merkte ich, dass nichts fehlte. Sondern es sich endlich richtig anfühlte. Plötzlich verstand ich, was dieses gewisse Etwas ist. Dieses gewisse Etwas, was auch ich endlich fühlte. Doch mit dieser Vertrautheit kamen auch Probleme. Probleme, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Denn nun ist alles anders.
Pluralistische Lebensweisen habe ich im 21. Jahrhundert immer für selbstverständlich erachtet. Denn unsere Gesellschaft, unser Land und auch die rechtlichen Grundlagen haben, seit meiner Schulzeit, Fortschritte gemacht. Dennoch legen nicht alle Menschen diese Selbstverständlichkeit an den Tag. Auf einmal gibt es Probleme, wenn wir händchenhaltend durch die Stadt laufen. Böse oder angewiderte Blicke, Menschen, die uns sehr nahe kommen, die vor uns auf den Boden spucken oder uns sogar beschimpfen. Mit jeder Anfeindung wird die Angst größer. Aber nicht nur die Angst, die Liebe offen zu zeigen wird plötzlich zum Thema, sondern auch Alltäglichkeiten.
Denn immer wieder muss ich mich rechtfertigen. Rechtfertigen, warum die Haare kurz sind. „Wirst du nun zur Klischee-Lesbe?“ Rechtfertigen, warum ich mit einer Frau zusammen bin. „Du bist doch hübsch und bekommst sicherlich auch einen netten Mann ab.“ Rechtfertigen, warum wir denn Probleme mit Anfeindungen haben. „Heute hat doch niemand mehr Probleme mit Lesben. Ja, bei Schwulen ist das vielleicht noch so. Bei euch Lesben doch nicht. Männer finden das doch geil, zwei Lesben.“ Anfeindungen kann Mensch sich da überhaupt nicht vorstellen. Ängste schon gleich gar nicht. Allerdings sind sie da, allgegenwärtig und präsent.
Meine Strategie dagegen ist, sich erst recht weiterhin öffentlich zu lieben. Den Ängsten zu stellen und mit den Menschen, die eine Rechtfertigung einfordern, ins Gespräch zu kommen. Und den Fokus auf die Menschen zu richten, die uns zulächeln. Die uns als das wahrnehmen, was wir sind. Zwei Menschen, die sich lieben und glücklich sind.
Liebe sollte sich nie rechtfertigen müssen. Denn ja, ich liebe. Eine Frau liebt eine Frau. Punkt.
Foto: flickr – Steve Snodgrass – CC by 2.0
Vielen Dank für die lieben Worte :-)
Von mir auch alles, alles Gute (Liebe hast du ja schon .-) ). Ein schöner Gastbeitrag!
Schrecklich, was ihr für Anfeindungen ertragen müsst.
Trotzdem ganz wunderbar, dass du nun den Menschen gefunden hast mit dem nichts fehlt. Das freut mich einfach von Herzen.
Ich hoffe, dass die Gesellschaft irgendwann soweit ist, dass dir und euch nur noch zugelächelt wird. Einfach weil es etwas wunderbares ist wenn man liebt. Ob das nun Frau-Frau, Mann-Frau oder Mann-Mann ist, ist doch dabei völlig egal. Mensch liebt Mensch.
Um ein schönes Video zu zitieren: Love has no Labels. <3
Alles Gute für euch beide!