Gestern erfuhren wir: Im Facebook & Apple Mitarbeiterhimmel gibt es nicht nur einen Süßwarenladen, Fahrräder für alle & den hauseigenen Frisör. Die beiden Firmen bezahlen ihren Mitarbeiterinnen anscheinend auch das Einfrieren ihrer Eizellen. Unter anderem berichtete die Süddeutsche über dieses Social Freezing: Das kostspielige Verfahren zu übernehmen ist in der IT und Tech-Branche, die unter Frauenmangel leidet, keine schlechte Idee, um die hochqualifizierten Mitarbeiterinnen zu binden.
Da liegt bereits das erste Problem. Kinder in die Karriere einzupassen, sie zum „besten“ Zeitpunkt zu bekommen, ist also allein Frauensache. Ganz davon abgesehen, dass es den perfekten Zeitpunkt für Kinder sowieso nicht gibt, heißt das doch: Wer die Möglichkeit hat, genau zu planen, der Biologie sozusagen ein Schnippchen zu schlagen, der hätte auch keine Probleme mehr mit dem Aufstieg. Als würde nicht die gegenwärtige Quote vs. Wirtschaft-Diskussion in Deutschland zeigen, dass es tiefer sitzt, dieses Problem mit den Frauen im Job. Und es nicht nur der vielbeschworene (und existente) Mutterknick im Lebenslauf, den es zu umschiffen gilt.
Und was ist überhaupt mit den Frauen, die nicht einfrieren & einfach so Kinder kriegen. Womöglich mitten in einem großen Projekt. Haben die dann alles falsch gemacht & sind am Ende selbst schuld? Oder mit denen, die finden, zur Abwechslung könnte sich auch mal das Berufsleben Veränderungen im Privaten anpassen?
Schöne neue Welt
Aber worum geht es eigentlich? Das Verfahren gibt es erst seit einigen Jahren. Ursprünglich wurde es bei Chemotherapie angewendet. Eizellen werden entnommen und schockgefrostet, lagern so lange die Frau mag (und bezahlen kann) & werden dann eingesetzt, wenn man sie braucht. So einfach ist es. (Eben nicht. Die psychischen & körperlichen Belastungen, denen die Frau ausgesetzt ist, machen es gerade nicht zu einem einfachen Zeitgewinn-To-Go-Erlebnis.)
Was ist das nun? Eine große Revolution ähnlich der Antibabypille, wie eine Gesprächsrunde auf SWR2 im August fragte? Ein Schritt Richtung Gleichberechtigung, weil es Frauen den Zeitdruck nimmt? Weil es sie genauso frei macht wie Männer, die mit der Familienplanung dann beginnen können, wenn es ihnen passt & nicht, wenn ihre Biologie es vorschreibt?
Nicht wirklich, wie man bei SWR2 erfährt. Spätestens ab 50 sind die Risiken einer Schwangerschaft so groß, dass die meisten Reproduktionsmediziner nach diesem magischen Datum vom Einsetzen abraten (auch, wenn sie es nicht vorschreiben). Die meisten Männer haben übrigens – ungeachtet nie enden-wollender Fortpflanzungsmöglichkeiten – ihre Kinderplanung in diesem Alter abgeschlossen.
Als Indiz einer verheißungsvollen neuen Welt wird das Ganze trotzdem gefeiert. Gerade in Amerika berichten seit Jahren auch Frauenmagazine wie Cosmopolitan und Vogue darüber. „Ist Eizellen einfrieren das, was jetzt alle tun?“ fragen sie und finden: „Zeit, sich zu entspannen.“ Die New York Times stöbert Eltern auf, die ihren erwachsenen Töchtern – ohne den Segen eines Jobs bei Facebook oder Apple – die Prozedur bezahlen. Damit die Enkelkinder gesichert sind. Having it all – eben alles im Leben haben zu können, es scheint in greifbarer Nähe.
Vater? Welcher Vater?
Auch in Deutschland wächst das Interesse, erfährt man in oben genannter Gesprächsrunde. Nun sind Frauen wahrscheinlich tatsächlich in einer Sondersituation. Sie sind früher gezwungen, sich damit zu beschäftigen, dass bestimmte Dinge endlich sind. Und die Zeit des Kinderkriegens fällt zunehmend mit den wichtigen Jahren im Job zusammen. Auch über diese Rush Hour des Lebens wurde schon viel geschrieben. Sie betrifft Männer wie Frauen. Und hier kommen wir zum zweiten Problem. Eigentlich sollte es nicht darum gehen, den perfekten Punkt in der Karriere der Frau zu finden. Sondern im Leben von Vater & Mutter. Oder wollen die Väter die Kinder nicht aufwachsen sehen?
An den verfügbaren Vätern hackt es aber meistens. In Deutschland kommen tatsächlich zum größten Teil beruflich erfolgreiche, akademisch-gebildete Frauen einer bestimmten sozialen Schicht in die Beratung zum Schockfrosten. Diese sind vermehrt Mitte 30, was die Erfolgsquoten bereits drückt. Und haben oft keinen Partner. Dann geht es nicht nur um Karriere, sondern auch um die Tatsache, dass man als beruflich erfolgreiche Frau zusätzlich schwer vermittelbar ist. Antiquierte Rollenbilder lassen grüßen.
Eiszeit oder Tauwetter
Und genau diese Rollenbilder & gesellschaftlichen Korsetts sind das grundlegende Problem. Wir machen eben nicht wirklich Platz für Kinder. Wir denken in einem beinahe unauflösbaren Gegensatzpaar. Das heißt Beruf-Kind. Geht irgendwie nicht. Oder nur unter großen Anstrengungen. Oder man muss eben das eine nach dem anderen machen. Oder sich für eines entscheiden.
Social Freezing friert nicht nur Eizellen ein, sondern auch starre Denkweisen. Es legt die Last auf die Frau, die entscheiden soll. Eigentlich bleibt aber nicht viel zu entscheiden, denn die Maxime ist ja unterschwellig: erst der Beruf & dann das Kind. Da schwingt unweigerlich mit, wenn du es schon anders machst, als die Biologie, dann ist das ok. Es gibt auch die Methode dafür. Aber normal ist das nicht.
Deshalb möchte ich keine Eiszeit. Ich hätte lieber Tauwetter. Ein Abschmelzen starrer Vorstellungen. Dass Kinder stören würden & nicht mit beruflicher Erfüllung vereinbar sind. Dafür müssen wir aber die Rahmenbedingungen schaffen. Ja, das ist diese leidige Diskussion um Teilzeitlösungen für beide, passender Fremdbetreuung & Umdenken in Gesellschaft & Unternehmen. Weil selten alte Mauern eingerissen werden, wenn es nicht irgendwie mit den alten Vorstellungen weitergehen könnte, fürchte ich, wir müssen uns entscheiden.
Zwischen Methoden, die das Alte irgendwie passend zu den neuen Gegebenheiten machen wollen oder echtem Wandel. Zwischen Eiszeit und Tauwetter.
Oder wie seht ihr das?