Als ich vor einer Weile jemanden erzählte, dass ich versuche, so lange wie möglich barfuß zu laufen und deshalb Fußbodenheizungen womöglich meine dritte große Liebe sind, sagte dieser zu mir, dass dies vielleicht ein Relikt meiner Neunzigerjahrejugend sei. Angeblich wurden in den Neunzigern viele Modefotos geschossen, auf denen Supermodels lange Hosen und Oberteile trugen, aber nackte Füße. Das klingt plausibel. Schließlich war dies auch die Zeit der kurzärmeligen Rollkragenpullover. So richtig lässt sich das Ganze aber leider nicht nachprüfen. Zwar finden sich in der Bildersuche entsprechende Fotos, eine Suchmaschinenanfrage nach den Neunzigern und nackten Füßen bringt aber nur verstörend viele Artikel über Quentin Tarantinos Fußfetisch hervor.
Trotzdem bringt der Hinweis mich weiter, denn ich laufe tatsächlich noch sehr lange nach Ende des Sommers mit nackten Füßen überall entlang, obwohl auf meiner Kleine-schöne-Dinge-Liste „die ersten warmen Socken“ steht.
Mein Oberkörper ist bereits mit einer oder mehreren Wollschichten bedeckt (lange Hosen sowieso) wenn ich die Erkenntnis nicht mehr herauszögern kann, dass die Kälte wohl von der einzigen ungeschützten Stelle unterhalb meiner Knöchel herauf kriecht. So lange meine Füße noch unbekleidet sind, stoppe ich aber tatsächlich häufiger als sonst vorm Spiegel und schaue mir meine Silhouette an. Ist das die Neunziger-Supermodel-Ästhetik, die Spuren hinterlassen hat oder fällt es mir nur mehr auf, seit mich jemand darauf hinwies?
Ich weiß es nicht, aber wenn ich im Schrank nach Socken krame, die sich im Laufe des Sommers bis ganz noch unten durchgearbeitet haben, ist dies ein untrügliches Zeichen für den Wechsel der Jahreszeiten. Da ich immer erst bis zum letzten Moment warte, bis zu diesem, an dem es nun wirklich nicht mehr ohne geht, besitze ich sehr viele warme Socken und sehr wenige dünnere Übergangssocken. (Die vermutlich, ähnlich wie Übergangsjacken sowieso von niemandem länger als drei Tage getragen werden.) Viele meiner dicken Socken sind bunt und grob gestrickt. Sie verändern meine Silhouette im Spiegel und nehmen mir die lässige Ewiger-Sommer-Attitude, mit der ich vorgebe, in viel wärmeren Breitengraden zu leben, in denen man sich nur schnell eine Strickjacke übergeworfen hat, da es sich um einen unverhältnismäßig kühlen Tag handelt.
Irgendwann ist die Wahrheit aber nicht mehr zu verleugnen, denn in Deutschland hält spätestens im November mit großer Verlässlichkeit die bekannte depressive Kälte ihren Einzug, die ganz anders als die klirrende Winterkälte alles heraussagt und Herzen und Köpfe in eine schwer zu ertragende Schockstarre versetzt, der man eigentlich mit Winterschlaf begegnen müsste.
Da wir aber nun einmal keine Bären sind, müssen warme Socken helfen. Die machen – besonders nach einem endlos langen viel zu grauen Tag – zuverlässlich behaglich warme Füße. Zwangsläufig denkt man, wie viel mehr Aufmerksamkeit man diesem Körperteil eigentlich schenken müsste, wenn es so sehr das eigene Wohlbefinden beeinflusst.
Die ersten Wollsocken wirken wie ein Wattemantel für meine Seele. Auf einmal scheint vieles leichter. Ich rutsche auf ihnen ein bisschen durch die Wohnung wie die Protagonisten auf einer Eisfläche in einem 50er-Jahre-Musicalfilm und pflücke die ersten Flusen von ihrer Oberfläche, die die nächsten Tage hier und da wie kleine Schneeflocken auf dem Boden liegen. Manchmal schaffe ich es, die ersten Wollsocken feierlich nach einem Bad einzutragen, meistens krame ich sie aber nur hektisch hervor.
Wenn ich genau darüber nachdenke, sind Wollsocken die perfekten kleinen schönen Dinge. Man muss nicht viel Geld für sie ausgeben, sie sind meistens einfach da. Sie machen ein warmes Gefühl im Bauch und Kopf ohne Meditationsapp und große Lebensumstellung. Das Alltagsglück, das sie auslösen, ist nicht klein, weil es uns nur wenig erfreut. Es ist klein, weil wir so häufig darüber hinwegsehen, weil sie in unserem Denken so selten vorkommen, wenn wir überlegen, was uns guttun könnte. Wie oft sind wir erstaunlich schlecht darin, vorherzusagen, was uns glücklich macht, erreichen mit Mühe ein Ziel und fragen uns viel zu schnell wieder, ob dies nun alles war. Glauben, dass große Anstrengungen auch große Zufriedenheit nach sich ziehen und lassen den Gedanken zu selten zu, dass Dinge, an die wir gewöhnt sind und die auch viele andere haben können, ebenso von Bedeutung sind.
Im November schreibe ich über kleine schöne Dinge, weil ich finde, dass unser Alltag gute PR brauchen kann. Mehr dazu hier. Es ging bereits um:
Bild: flickr – Marco Verch Professional Photographer – CC 2.0
Hm, also, so bequem es sicher ist, barfuß durchs Haus zu laufen: ich bin es gewohnt, Pantoffeln zu tragen. 😃 Meine Eltern haben keine Fußbodenheizung und Fließen sind nun mal kalt.
Das Haus von meinem Mann hat zwar eine Fußbodenheizung und er läuft immer barfuß rum, aber ich kann mich nicht dazu durchringen und bleibe bei Pantoffeln (mit Socken). Blöd nur, wenn ich mal aus Versehen meinem mann auf die Füße trete. Passier öfter, als mir lieb ist. Ich mach das nicht mit Absicht – ehrlich!
P.S.: schön, dass du wieder so fleißig blogst! Ich möchte auch gerne wieder mehr bloggen, aber ich fühle mich so unkreativ.
Aua :-), ich freu mich von dir zu lesen! Mir hat geholfen, einfach wieder anzufangen, aber in diesen Zeiten ist Schreiben schon irgendwie hart, egal für was. Alles Liebe!