Als ich Bumble hörte, kamen mir kleine, dicke, freundlich-summende Hummeln in den Kopf. Im Fall von Bumble wären es sogar freundlich-summende-feministische Hummeln. Empowered Hummeln. Denn die App, die es seit Anfang des Jahres gibt, verspricht feministisches Dating. Woo-hoo. Gegründet wurde sie von Whitney Wolfe, 25 Jahre alt & Mitgründerin von Tinder, jedermans & -fraus digitaler Lieblings-Wisch-und-Weg-Vekupplungsapplikation. Ihren Ausstieg bei Tinder begleitete 2014 ein Rechtsstreit wegen sexueller Belästigung. Es ging um einen Ex (und Mitgründer), der die Trennung nicht akzeptieren wollte. Wolfe gewann. Und startete neu.
Der feministische Markenkern von Bumble, ein „Feminist Tinder“, das nichts weniger will, als Frauen die Kontrolle zurück zu geben & damit das Dating modernisieren, ist schnell erklärt: Nur Frauen können den ersten Schritt machen. Tun sie dies nicht binnen von 24 Stunden, ist Prince Charming wieder weg aus der Vorschlagsliste. Es sei denn, er verlängert das Ultimatum für die Dame auf weitere 24 Stunden. (Das funktioniert aber nur mit einer Frau pro Tag – siehe Tindervergleich weiter unten.) Bei gleichgeschlechtlichem Interesse dürfen übrigens beide. Wolfe selbst sagt dazu:
Das wäre ein positiverer Start für eine mögliche Beziehung & würde potentiell die berüchtigten Tinder-Konversationen vermeiden (Hey, ich studiere auch Sozialwissenschaften, magst du Analsex?). Diese Redakteurin hat es ausprobiert & würde vermutlich widersprechen. Ich habe auf den Selbstversuch verzichtet. Er erschien mir angesichts der Tatsache, dass ich meine Füße unter dem Babybauch nicht mehr sehen kann, irgendwie unpassend.
Böse Zungen behaupten, dass mit dem feministischen Konzept nur Geburtsfehler von Tinder ausgemerzt werden. Der Dienst leidet an zu vielen Dead-End-Matches, also Vorschlägen, auf die nicht reagiert wird (& muss deshalb immer neue produzieren) und der Tatsache, dass insbesondere Frauen mit Nachrichten bombardiert werden. Jeder Pick-Up Artist wird schließlich bestätigen, dass mindestens ein Treffer dabei rauskommen wird, wenn man nur die gleiche miese Masche bei genug Frauen ausprobiert. Bei Bumble führen 60% der Vorschläge zu Interaktionen. Dabei ist die Frage nicht, ob Frauen, sozialisiert mit Bravo Girl & Jane Austens Emma Woodhouse, Matchmaking einfach ernster nehmen.
Vielmehr muss ich mir eingestehen, so sehr ich zunächst über das „Endlich dürft müsst ihr den ersten Schritt machen.“ lächele – da ist etwas dran. Nicht nur weil Frauenzeitschriften gern dabei helfen, wenn frau sich fragt, ob man nun nach drei oder fünf Tagen zurückrufen soll. Die vermeintliche Datingetiquette enthält für beide Geschlechter eine ziemliche Liste an Dingen, die zu tun & zu vermeiden sind. Eigentlich sind es zwei Listen, denn die gut gemeinten Ratschläge variieren sehr, je nachdem, ob man Mann oder Frau ist. Nicht zuletzt muss ich zugeben, dass ich selbst mich oft genug gern auf antiquierte Regeln zurückgezogen habe. Wer nicht zuerst anspricht, verpasst Chancen, aber minimiert eben auch die Gefahr der Ablehnung. Was natürlich schwer gegen meine feministische Grundüberzeugung ging. Schwierig. Trotzdem habe ich die Frage: Wie datet Frau richtig in Feminismusland? für mich ganz gut beantworten können.
- Regel Nr. 1: Je älter man wird, desto deutlicher wird man nach dem Ort des ersten Dates befragt. Die Peergroup sieht darin einen Indikator für den sozialen Status des Männchen, sprich sein Geld. Frau selbst läuft in die Falle, den Neuen bereits positiv zu bewerten, bevor er sich richtig vorgestellt hat, wenn die Peergroup auf die Nennung des Ortes mit „Uih, teuer.“ reagiert. Deshalb, eigene Brieftasche raus holen & sich um die Befüllung selbst kümmern, ist nie verkehrt.
- Regel Nr. 2: Halbiere die Gedanken, die du dir um Sex bei ersten Treffen oder in den ersten Tagen/Wochen… machst. (Um die Angemessenheit, nicht die Verhütung versteht sich.) Dann halbiere nochmal & du bist bei der Anzahl der Gedanken angekommen, die du dir über dein Outfit in den ersten Tagen/Wochen…machen solltest.
- Regel Nr. 3: Es gibt eigentlich keine Regeln. Nicht eine. Denn schlussendlich ist alles gar nicht so kompliziert.
Das gilt übrigens auch für die so gern gestellte Frage: Dürfen Männer noch Komplimente machen & sich wie Gentlemen verhalten?, um hier noch einen Mehrwert für die männlichen Leser zu liefern. Ein besorgter Kollege erkundigte sich erst neulich, ob er mir noch die Tür aufhalten dürfte.
Nun, Männer begannen im 19. Jahrhundert Frauen die Tür aufzuhalten, weil sie mit ihren ausladenden Kleidern, Riesenhüten & Handschuhen nur schwer durch diese kamen. Sie gingen auf der Straßenseite, damit sich die Kleider der Damen nicht in den vorbeifahrenden Kutschen verfingen. Sie rückten Stühle zurecht, weil die aufgrund der engen Korsetts dauerkurzatmig gewordenen Frauen sich gern mal setzten. Irgendwann wurde das Ganze in Regellisten gepresst & die Beweggründe waren nicht mehr ganz klar. Da kann ich helfen, denn es ist ganz einfach. Geht es bei Komplimenten & dem Gentlemen-Sein um gegenseitigen Respekt & passiert es auf Augenhöhe, dann bitte, frisch voran, die Herren. Machen sie die Tür auf. Auch gern für andere Männer.
Womit wir wieder bei Bumble wären. Denn was gerade der Vergleich mit Tinder zeigt, ist, dass sich beim Onlinedating eine ziemlich überflüssige Spirale fortsetzt. Gefühlt ist an FrauenTM schwer ranzukommen, was MännerTM dazu bringt, mehr um deren Aufmerksamkeit zu buhlen, was dazu führt, dass FrauenTM sich zurückziehen, was noch größere Anstrengungen der MännerTM triggert, die sich manchmal mit Enttäuschung & Verzweiflung paaren & dann sehr traurig enden (meist für die Frau). Wenn Frauen sich aber wohler & sicherer fühlen könnten, weil sie weniger verzweifelt-gruseligen Versuchen der Kontaktaufnahme ausgesetzt wären & Männer auch, weil sie nicht steinzeitjägermäßig ständig an die Front müssten, um womöglich abgelehnt zu werden, gewinnen vielleicht beide Seiten ein bisschen. Dann ist das mit dem erzwungenen ersten Schritt für Frauen in der App womöglich gar keine so schlechte Idee. Obwohl ich mir nicht sicher bin, wie feministisch das die Hummel jetzt macht.
Foto: flickr – Paul Townsend – CC by 2.0
Ich hab die Story rund um Whitney von Tinder damals verfolgt und dank dir für das update. Dass sie den Rechtsstreit gewonnen hat ist ein gutes Zeichen denn sexuelle Belästigung sollte keinen Platz mehr haben! Aus diesem Grund werd ich mal diese neue Wisch-und-Weg-Vekupplungsapplikation, wie ihr sie liebevoll nennt, probieren :-)
Ich kann hier heute leider gar nichts Sinnvolles kommentieren, weil ich nur noch an kleine dicke summende Hummeln in lila Latzhosen denken muss.
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