In den letzten Tagen ging es medial viel um Väter. Um Väter von Töchtern. Um Väter, die bessere Menschen durch ihre Töchter werden. Diese Töchter machen Männer zu Feministen und setzten vermeintliche Frauenthemen wie den Gender Pay Gap auf politische Agenden. Sie machen empathischer, verständisvoller, liebender, ausgeglichener und verhelfen zu einem klareren Blick auf das Leben und gesellschaftliche Missstände.
Mich irritert das – übrigens auch, wenn die Erzählung nur beinhaltet, dass Kinder im Allgemeinen einen Mann erst zu einem gefühlsbetonten Wesen machen. Und es zum Beispiel deshalb wahnsinnig bereichernd ist, Elternzeit zu nehmen. Wenn frischvervaterte Männer verkünden, wie sehr ihnen nun der Sinn des Lebens in aller seiner Klarheit vor Augen liegt – der da bedeutet, dass Zeit mit geliebten Menschen doch das Wichtigste sei. Ich frage mich dann immer, warum Freundinnen und Partnerinnen vor dem Kind nicht für diese Erkenntnis gereicht haben, aber das ist vielleicht ein anderes Thema.
Ich überlege also und bin irritiert. Ganz besonders eben, wenn es die Töchter sind, die gesellschaftliches Engagement aus den XY-Chromosomen herauskitzeln. Dass Frauen mit ihrem guten Wesen Männer empathischer machen, dass sie sie weicher werden lassen und damit einen Gegenpol zur rauen Außenwelt bilden, in der der Mann tagtäglich seinen – äh, Mann eben – zu stehen hat, ist nämlich genau die Vorstellung von den Tugenden eines bürgerlichen Paares wie sie sich das 19. Jahrhundert einmal ausgedacht hat. Die Domäne des Mannes, die raue Außenwelt, lässt keine Gefühle zu oder alle in ihm erkalten, wenn sie überhaupt jemals da waren. Nur im heimischen Refugium der Familie, mit Frau und Kindern/Töchtern, kann er ein wenig die harte Schale aufweichen. Hauptaufgabe der Frau in dieser Idealvorstellung war übrigens die Schaffung eines moralischen Fundaments im Haus. Das ist gar nicht so weit weg von gesellschaftlichem Engagement, was die Töchter heute angeblich auslösen, oder? Auf dieser Vorstellung der Natur von Mann und Frau fußen eben auch heute noch unsere manchmal ziemlich starren Rollenbilder.
Männer, die erklären, wie sehr ihre Töchter sie zu empathischeren Menschen gemacht haben, tun ihren Töchtern deshalb keinen besonders großen Gefallen. Denn sie bestätigen eigentlich nur die Klischees, die ihren Töchtern unter Umständen einmal das Leben schwer machen werden. Und vielleicht noch wichtiger: Sie bestätigen Klischees vom Mannsein, die auch sie selbst treffen.
Ich freue mich über jeden, der seine Tochter liebt und diese Liebe mit der Welt teilt. Die Welt braucht definitiv mehr Liebe. Aber warum nicht einfach so lieben, einfach so aus männlicher Emotionalität heraus? Und sich einfach so verändern, die Welt neu sehen ganz ohne eingeflochtene Rechtfertigung? Es braucht doch keine Tochter für ein bisschen Empathie gegenüber anderen. Eure Töchter hätten auch lieber eine Welt, in der sich Männer ganz selbstverständlich auch für andere (vielleicht sogar für Frauen!) interessieren und sie sie nicht erst dazu erziehen müssen. Das ist nämlich auch eine ziemlich Hypothek, eine ziemliche Aufgabe, die sie hier unterschwellig mitbekommen. Und wie das so ist mit der Erziehung, klappt diese nicht immer. Der Prototyp der mäßigenden Tochter war nämlich Ivanka Trump. Wie viele Texte hofften darauf, dass sie als symbolisches Korrektiv wirken würde? Wie gut das geklappt hat, wissen wir alle. Und die Empörung, als Ivanka sich Rollen, Ämter und Einflussgebiete einfach nahm – einfach so, weil sie greifbar vor ihrer Nase lagen – und ihre Macht nicht dafür benutzte, um Papa ein wenig freundlicher zu stimmen, haben wir auch beobachtet. Ivanka Trump spielt die Rolle des Daddy’s Girl perfekt und vermutlich sogar selbstgewählt. Aber wer will das schon für seine Tochter?
Foto: flickr – oklanica – CC by 2.0
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Ich habe ja das Gefühl, dass Männer oftmals eine andere, positivere Haltung zum Thema Feminismus einnehmen, sobald es sie selbst betrifft – nämlich sobald sie Töchter bekommen.
Typisches Verhalten, dass einen etwas nicht sonderlich tangiert, solange man selber davon nicht berührt wird.
Diese Sichtweise beantwortet allerdings nicht die Frage, die du dir auch schon gestellt hast: Nämlich warum die Solidarität mit einer Freundin/Ehefrau (oder auch schon mit der eigenen Mutter, wobei das wahrscheinlich eine Generationenfrage ist) alleine nicht dafür ausreicht, Männer für das Thema Feminismus zu sensibilisieren.
Ich kann das ganz abseits jeglicher ideologischer Überlegung sehen.
In unserem Fall war das genau so. Seit der Geburt der Tochter regt sich der Mann über Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen auf, als gäbe es kein Morgen. Vorher waren die für ihn kein Thema – mich haben die aus Gründen nie betroffen, aber in seiner Firma gab’s die natürlich, waren auch sichtbar, aber eben kein Thema.
Ich nehme an, es hat damit zu tun, dass einem eben doch nichts näher ist als sein eigen Fleisch und Blut. Den Partner, die Partnerin kennt man als ebenbürtige, gleich unabhängige, gleich erwachsene Person. Das eigene Kind, Fleisch von meinem Fleisch und Blut von meinem Blut, kennt man als winziges, schutzloses, abhängiges Wesen zuallererst. Und die Erinnerung daran sitzt sehr tief, glaube ich.
Umgekehrt ging’s mir übrigens ähnlich. Erst durch meinen Sohn wurde mir klar, wie sehr das System Schule Jungs Schwierigkeiten schafft – vorher war das für mich schlicht kein Thema.