Jetzt sind wir alle empört. Natürlich zu Recht. Menschen regen sich über Bilder auf der Kinderschockoladeverpackung auf. Bilder von Kindern, die ihrer Meinung nach nicht deutsch genug aussehen. Kurz vor EM-Start kommt die Scho(c)kolade-Edition mit Kinderfotos der deutschen Nationalspieler. Die dürfen sich zwar bald wieder für Tore bejubeln lassen, aber irgendwie gehören Ilkay und Mesut doch nicht so richtig zu Deutschland. Was stimmt nicht mit denen, die sich aufregen, was ist das für eine Logik? Es gibt doch keine guten und schlechten Kinder!, entzürnen wir uns.
Unglaublich das Ganze. Ja, unglaublich. Und doch keine Überraschung. Kinder werden allerorten in bessere und schlechtere Versionen eingeteilt. Wer genau hinhört, bekommt von seiner Umwelt eine Menge Bewertungen geliefert.
Das geht bei scheinbar banalen Punkten los. Kinder, die still sind, sind bessere Kinder. Die, die im Restaurant nicht herumlaufen oder in der Schlange beim Bäcker nicht unruhig werden. Ein Kind ist ein gutes Kind, zwei Kinder sind zwei gute Kinder. Wer aber mehr als drei bekommt, ist schon ein bisschen verdächtig. Wo die Kinder herkommen ist wichtig, wo sie aufwachsen.
Wir wollen ja alle mehr Kinder. Wir brauchen sie dringend, sonst sterben wir aus und vorher geht unsere geliebte Wirtschaft zu Grunde am Fachkräftemangel. Aber die richtigen Kinder sollten es doch bitte schön sein. Die aus Mutter-Vater-Kind-Familien mit ordentlichem Bildungsgrad und Einkommen. Unsere Sozial- und Familienpolitik macht mit. Kinder von Alleinerziehenden, Kinder von Hartz IV-Empfängern…ja, ja, alles nicht schlecht. Aber Kinder von gutausgebildeten, einkommensstarken (ergo gebildeten?) Frauen, die möglichst schnell in den Beruf zurückkehren, das wäre doch ein bisschen – mhm – besser. Kinder aus festen Partnerschaften, aus Ehen am Besten. Aus Ehen mit einem Mann und einer Frau. Solche Kinder, die erfreuen unser gesellschaftliches Herz immer ein bisschen mehr.
Es wird allerorten qualifiziert und bewertet. Bessere Kinder, schlechtere Kinder. Bei aller berechtigten Empörung über die Kinderschockoladeidioten hat Empörung immer einen kleinen Nachtteil. Sie macht es einem sehr leicht, sich vom Empörungsgrund zu distanzieren. Die da, nicht ich. Aber alle Kinder vorbehaltlos zu umarmen, fällt uns allen schwer. Dafür müssen sie nicht mal Ilkay und Mesut heißen.
Foto: flickr – Alberto Cerriteño – CC by 2.0
Danke für den Text! Weil ich als Mutter von drei kindern beide Seiten kenne. Die Blicke von den Müttern der besseren Kinder. Auf der anderen eite den Druck, selbst „bessere“ Kinder zu haben. Bei solche Texten wird mir bewusst, ich habe doch tolle Kinder!
Ich kenne das auch. Man fühlt sich fast automatisch selbst bestätigt, wenn das Kind sich fantastisch verhält und weiß doch, dass es manchmal auch anders geht und man einfach nicht drinsteckt.
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Toller Text, vielen dank!
DANKE.
Und man darf nicht vergessen, wie schwierig es ist, den hauchdünnen Grad zwischen „Deutschlands Zukunft“ und „asoziale Bratze“ zu treffen. Irgendwas ist ja immer, das nicht passt…und am Traurigsten ist, dass viele Mütter eifrig mitspielen beim lustigen Kinderbewerten.
Ich finde diese Aktion von Kinderschokolade gar nicht so schlecht, denn schließlich werden diese Riegel ja von allen Kindern und nicht nur von den weißen, blonden, guten, braven Kindern gegessen. außerdem soll es ja schon mal vorgekommen sein, dass sehr deutsche Eltern sehr dunkle Kinder haben. Aber angeblich kommt das ja davon, wenn die Mutter in Schwangerschaft zu viel Schokolade gegessen hat.
Schön fand ich auf jeden Fall, dass sich die Pegida darüber hat aufregen müssen!
LG
Sabienes
Die Aktion fand ich super, aber um die ging’s mir gar nicht so. Eher um die reflexhafte (wenn auch vollkommen berechtigte) Empörung darüber, dass andere nur bestimmten Kindern einen Wert zuschreiben, wenn wir das manchmal selbst tun. Oder sonst wenig dagegen tun, wenn es gesellschaftlich gemacht wird (siehe Alleinerziehende). Lieben Gruß
Genau! Danke dafür.