Es beginnt harmlos mit einem tropfenden Wasserhahn, schlechtem Fernsehempfang oder dem seltsamen Geräusch aus dem Kühlschrank. Meist ist auf das eigene Unterbewusstsein Verlass, welches das Problem zunächst konsequent ignoriert. Denn es weiß, was es erwartet. Irgendwann wird es dennoch offenbar: aus dem Wasserhahn rinnt es mittlerweile so laut, dass das Geräusch nur noch vom Kühlschrank übertönt wird, während man sich wundert, dass kein Darsteller in der Lieblingsserie das gigantische schwarze Loch thematisiert, was sich über den Bildschirm bewegt.
Du hast ein Haushaltsproblem. Die Zeit des Leugnens ist vorbei & wie bei allen schwerwiegenden Lebenskrisen, wird zunächst google zu Rate gezogen. Nachdem das youtube-Video von Paul, der ein ähnliches Problem mit einer Mischung aus Backpulver, Essig & Speisestärke in den Griff bekommen hat, durchprobiert ist & Partner/ Freunde/ Bekannte darauf bestanden haben, „mal was zu probieren“, was die Sache erfahrungsgemäß verschlimmert hat, ergibst du dich deinem Schicksal & machst dich auf die Suche nach „jemandem, der sich mit so etwas auskennt“ – oder zumindest so tut als ob. Bald wird dich ein Handwerker besuchen.
Das Auftauchen eines Handwerkers zählt zu den unplanbaren Lebensereignissen, ganz egal, was vorherige Absprachen suggerieren. Der Handwerksberuf gehört übrigens zu den ältesten Berufen der Menschheit wie Kräuterheiler oder Wandersänger, was den Kommunikationsweg zur Kontaktaufnahme bestimmt. Gern genommen werden Rauchzeichen & Fax-Geräte, in Einzelfällen auch bereits Sprachboxen von Mobiltelefonen, die nie abhört werden.
Hausarrest oder ein Blind-Date sind übrigens überschaubarere Situationen als das Warten auf Handwerker. Bei Hausarrest ist die Dauer der eigenen Haft im Vorfeld festgelegt. Beim Blind-Date kann man sich mit einer 50/50 Chance anfreunden, dass niemand auftaucht. Selten bekommt man hier aber dreistündige Zeitfenster für das Erscheinen der anderen Person gemeldet, so dass man den Treffpunkt recht zügig wieder verlassen darf.
Nicht so bei Handwerkern. In 33% aller Fälle erscheint der Handwerker komplett außerhalb des Zeitfensters, „um mal zu schauen, ob noch oder schon jemand da ist“, in weiteren 33% wird 1-2 Stunden nach Überschreitung des Zeitfensters die Wartende für eine neue Terminvereinbarung kontaktiert & bei den letzen 33% erscheint niemand. Niemals.
Das ist ausgesprochen ärgerlich, denn das Auftauchen eines Handwerkers bedarf einiger Vorbereitung. Zunächst bist du gezwungen, dich innerhalb der eigenen Wohnung wieder angemessen zu kleiden. Also eine Hose zu tragen. Und einen BH. Du versuchst also, den Anschein zu erwecken, dass du jederzeit nach einem Klingeln entspannt die Tür öffnen könntest, ohne vorher hektisch nach einem Riesensweatshirt zu suchen.
Außerdem verfällst du in den Zwang, die eigenen vier Wände in einem sauberen Zustand zu präsentieren. Vermutlich eine Gegentendenz des Unterbewusstseins, da das eigentliche Haushaltsproblem bereits deinen schweren sanitären Verfehlungen & mangelnde Pflege deiner Umgebung nahe legt. Soll niemand denken, dass dein ganzes Leben in einem ähnlichen traurigen Zustand wie dein Kühlschrank ist. Du machst dich also ans Putzen, lies: Verstecken, des eigenen Chaos. Gern wird hierfür ein Zimmer reserviert, in das alle Gegenstände & Wäscheberge ausquartiert werden. Die Versteckerin geht dabei davon aus, dass dieses Zimmer vom Handwerker nicht betreten wird. Denn was hat der leckende Wasserhahn mit dem Gästezimmer zu tun? Ein klassischer Anfängerfehler, denn zu überprüfende Leitungen, Kästen oder Schalter befinden sich generell ÜBERALL. Ganz sicher aber im eigentlich gesperrten Teil der eigenen Behausung.
Putzen hat auch wenig Sinn, denn Handwerker rücken gern Gegenstände ab, die bei sehr ordentlichen Leuten 1x Jahr während des Frühjahrsputzes abgerückt werden & bei normalen Menschen alle 5-7 Jahre bei Umzügen. Dahinter finden sich dann die vermuteten Wollmauskollektive & Spinnenfarmen.
Nachdem die sinnlosen Vorbereitungen getroffen wurden, man wie der 90jährige Nachbar von gegenüber eine Stunde hinter der Gardine gewartet & die Straße beobachtet hat, ob endlich ein Lieferwagen vorfährt & zwischendrin noch 20x auf Toilette war, um dies später vermeiden, klingelt es bei 33% endlich an der Tür. Du zählst bis 10 & öffnest möglichst beiläufig, um den Anschein zu erwecken, dass du nicht gewartet hast. Du weißt schließlich besseres mit deiner Zeit anzufangen, auch wenn sich Verspätungen ergeben.
Nach kurzer mürrischer Begrüßung erfolgt deine Problembeschreibung, die dich zwangsläufig klingen lässt, als wärest du als Kind ein paar Mal vom Wickeltisch gefallen: „Es ist hier im Waschbecken. Ich benutze es ziemlich häufig, da kommt dann immer Wasser raus. Wenn man aufdreht. Jetzt aber auch, wenn man zugedreht hat. Ich meine, ich bin kein Klempner, aber aufdrehen heißt ja Wasser & zudrehen keins. Ist aber anders.“ Von milde gestimmten Handwerkern kannst du nun ein mitleidiges Lächeln erwarten, die restlichen 99% machen sich wortlos an die Arbeit. Das hoffst du zumindest, denn nachdem du eine gefühlte Ewigkeit (ca. 60 Sekunden) daneben gestanden hast, ohne dass in irgendeiner Form mit dir interagiert wurde, hast du dich in einen anderen Raum zurückgezogen & lauschst nun gespannt den Geräuschen aus dem Badezimmer. Erneut im Wartemodus, versuchst du, dich mit möglichst alltäglichen Verrichtungen zu beschäftigen. Du stehst schließlich unter Beobachtung & wirst hier jetzt nicht den Anschein erwecken, du hättest nichts zu tun. Leider sind aber alle Aufgaben a) bereits erledigt, weil du schon 3 Stunden gewartet hat oder b) haben alle etwas mit dem besetzten Badezimmer zu tun. In dem Moment, in dem du dich deinem Schicksal ergibst & Marie-Antionette-mäßig auf die Couch zurück ziehst, steht der Handwerker im Raum und will reden.
Es greift nun Handwerkerregel Nr. 1. Der erste Besuch wird nie der letzte sein. Nichts & scheint es noch so trivial, ist beim ersten Mal zu erledigen. Mit viel Glück muss nur Material besorgt & später wiedergekommen werden. Das führt dazu, dass nun der ganze Tag unwiderruflich im A**** ist. Häufiger ist eine eingehende weiterführende Recherche nötig, da du immer in Wohnungen lebst, in denen ein Dichtungsring oder eine Anschlussklemmung verbaut wurden, die 1962 an einem Montag zwischen 13 und 16 Uhr nur 20x in einem kleinen mittelständischen Betrieb im Westerwald gefertigt wurde. Und seitdem nie wieder. Was das Ersetzen schwierig macht & zu einer neuen Terminvereinbarung führt. Immerhin kommt dann aber der gleiche Handwerker wieder, vor dem man sich bereits einmal entblößt hat. Mindestens genauso häufig stellt der Hinzugerufene aber auch fest, dass er das Problem nicht lösen kann. Ungeachtet des Auftretens im Sanitärbereichs, hat nämlich der Möbelbauer des Wandschrankes Schuld oder der, der den Balkon gefliest hat. Herzlichen Glückwunsch! Du hast den Jackpot gewonnen. Mit dem neuen Handwerker kannst du nämlich gleich mal Kontakt aufnehmen. Am Besten per Fax.
Foto: flickr – JD Hancock – CC by 2.0
Oh ja…. Handwerker. Mir geht es genauso, ich warte und gucke auf die Uhr, versuche dann bei Eintreffen des Handwerkes auch möglichst lässig zu tun – bloß nicht zeigen, dass man schon die ganze Zeit wartend auf dem Sofa sitzt.
Cool sind auch die, die NIE kommen. Gerade die One-Man-Unternehmen. Manche sagen dir netterweise noch kurz vor dem Termin wg Magen-Darm ab, andere erscheinen nicht. Einfach so…. telefonische Nachfragen werden von der Lebensgefährtin beantwortet, der „handy man“ sei gerade bei einem Freund im Krankenhaus. Als ich dann den 4. Mann anrufe und der tatsächlich zur Sichtung des Problems erscheint und dann auch noch super pünktlich kommt um dann auch zu handwerken….. kann ich das kaum glauben!
Ich warte übrigens seit 5 Wochen auf den Gärtner : )
Tröstlich, dass es anderen auch so geht. Wenn sich der Gärtner noch ein bisschen Zeit lässt, kann er ja gleich die Frühjahrsbepflanzung mit machen. :-)
Been there. Wrecked that. Zweimal pro Jahr kommt der Heizungsableser, und da in meinem Haus die Geräte an jeder einzelnen verdammten Heizung kleben, muss der Kerl auch in wirklich jedes einzelne Zimmer. Geschickt unter der Bettdecke versteckte Wäscheberge oder diskret in Schränken verschwundenes unabgewaschenes Geschirr kommt da immer mal wieder vor.
Bei Paketboten bin ich da mittlerweile völlig schmerzlos. Wer mich am Samstag zum x-ten Mal für das Zalandopaket der Yuppieschnepfe aus dem zweiten Stock aus dem wohlverdienten Post-Headbangers Ballroom-Schlaf klingelt, muss mich zur Strafe halt verkatert und im abgeranzten Schlafanzug ertragen.
Oh, ich habe gerade so ein schönes Bild im Kopf wie du in der Tür stehst :-). Obwohl ich auch ein bisschen desillusioniert bin, dass du beim Anblick des Paketes nicht schreist wie am Spieß.
So ist es! Ich kann das Spektrum noch erweitern um Handwerker, die Frauen aus Prinzip nicht ernst nehmen und erst mal alles anzweifeln, was die Kundin so sagt. Diese Leute will ich dann auch kein zweites Mal mehr sehen. Auch schön: Ich habe mal einen Tischler erlebt, der aus seiner Arbeitslatzhose dermaßen rausgewachsen war, dass das T-Shirt die seitlich herausquellenden Speckrollen freigab. Wer braucht das? Die Tatsachen, dass er es nicht für nötig hielt, mit mir, seiner möglichen Kundin mehr als unbedingt nötig zu reden und meinen Äußerungen nur mit halbem Ohr zuhörte, haben das Fass voll gemacht und ihn um den Auftrag gebracht.
Liebe Grüße und für die Zukunft mehr Glück mit Handwerkern
Ina von http://inasbuecherkiste.blogspot.de
Das mit dem nicht ernst genommen werden kenne ich auch gut. Da sind Handwerker nur knapp hinter Autowerkstätten.