Mir ist heute etwas aufgefallen: Auf meiner Liste der kleinen schönen Dinge, die ich in den letzten Monaten befüllt habe, findet sich erstaunlich vieles, das ich immer wieder mache. Routinen wäre vielleicht ein guter Begriff dafür oder einfach nur die Freude daran, immer wieder das Gleiche zu tun. Es ist gar nicht so leicht, das so stehen zu lassen, denn sofort überlege ich, ob mich das zu einer langweiligen Person macht. Mir fällt wie zur Rechtfertigung ein Spruch ein, den ich einmal gehört habe: Um etwas Neues zu lernen, muss man den gleichen Weg wie gestern gehen. Aber es wäre nicht richtig, mich darauf auszuruhen, denn das schiebt die Freude am Gleichen in eine verteidigende Achtsamkeitsrichtung. Als hätte ich das Bedürfnis, sie cool machen zu müssen. Und genau darum soll es ja eben nicht gehen.
An der Uni hatte ich mal ein Seminar zu Edmund Burke und Kant, zum Schönen und Erhabenen. Nicht nur die Philosophie neigt dazu, sich für die außergewöhnlichen Dinge zu interessieren. Das routinehafte Auskennen in der Welt wird zwar auch manchmal angeschaut, aber nicht, ohne es immer ein wenig klein zu machen. Dann werden lustige Mikrobiotope und Menschen porträtiert, die – gern fern der hippen Stadtzentren – in gewöhnlichen Berufen mit gewöhnlichen Tagesabläufen sehr routinierte, irgendwie ereignislose Leben führen. Als würde die Betrachtung des alltäglichen Erlebens immer die Notwendigkeit nach sich ziehen, enthüllen zu müssen, dass solche Vereinfachungen in Wahrheit ja gar nicht funktionieren. Zumindest nicht für den reflektierten Beobachter, der vielleicht mit Wehmut auf Routinen und Einfachheit blickt, aber ablehnt für sich selbst darin Sinn finden zu können – weil am Ende alles eben doch viel komplexer ist.
Vor kurzem las ich, dass Glück oft nur ein Stellvertreterbegriff für die Frage nach dem Sinn ist. Und da Sinn für viele nicht mehr von allein zur Verfügung steht, kostet es Mühe ihn zu finden. Dass viele uns mit unendlichen Sinnangeboten (Kauf dies! Sei das!) verwirren, macht die Suche nicht einfacher und bestärkt uns weiter in der Tendenz, im Außen zu suchen, ob ein anderer Sinn auf uns passen würde. Hier schauen wir dann auch eher auf das Außergewöhnliche, das Alltägliche haben wir ja schließlich selbst schon zu Hause. Das Außergewöhnliche bindet verlässlich unsere Aufmerksamkeit, es ist eher laut und faszinierend, aber das macht es nicht automatisch bedeutsam oder langlebig.
Gerade wenn wir jung sind, wollen wir herausstechen, der Welt unseren Stempel aufdrücken und außergewöhnlich sein. Je älter ich werde, desto mehr beschleicht mich allerdings das Gefühl, dass es eher die gewöhnlichen Dinge an uns sind, an die man sich erinnern wird. Erinnert wird sich an gute Freundinnen, an liebende Väter, an tägliche gemeinsame Abendessen, an sonntägliche Spaziergänge, an Dienstagabende auf der Couch. Es sind eher die Nuancen, die kleinen Abweichungen in den alltäglichen Dingen, die uns besonders machen als die großen Fanfaren. Und diese Nuancen werden von denen am besten gesehen, die uns wirklich nahe stehen. Das Außergewöhnliche mag an einem Tag magisch sein, aber es kommt und es geht. Das Gewöhnliche, das Alltägliche ist immer da: immergleiches Frühstück im Morgengrauen, eine kleine Hand, die verlässlich nach einem greift, Arbeitswege, Supermarkteinkäufe mit vertrauten Regalen. Wir alle leben im Gewöhnlichen, wie schade wäre es, wenn wir daran scheitern, seine Bedeutung zu erkennen. Wir mögen uns nach den Ausnahmen sehnen, sicher vermisst wird der Alltag, wenn er nicht mehr da ist. Ein Schlüssel, der sich nicht mehr im Schloss dreht, ein Lieblingspulli, der verloren ging. Sogar der Alltag von anderen kann uns berühren, wenn wir spüren, dass wir uns gar nicht so unähnlich sind. Vielleicht sollten wir uns alle mehr Geschichten vom Gewöhnlichen erzählen anstatt uns im Rattenrennen um die beeindruckendste Ausnahme, um unser persönliches USP zu verlieren.
Im November schreibe ich über kleine schöne Dinge, weil ich finde, dass unser Alltag gute PR brauchen kann. Mehr dazu hier. Es ging bereits um:
- Kuchenpakete
- fehlende Unterbekleidung
- Müll im Briefkasten
- ungelesene Bücherstapel
- Nörgellust und
- die perfekte Duschtemperatur.
Bild: flickr – Thomas Hawk – CC by NC 2.0