Nachdem die Spielzeugfirma Mattel Mitte April ihre Quartalszahlen bekannt gab, war Katerstimmung bei den Investoren angesagt. Der Umsatz ging im ersten Quartal deutlich zurück. Online beim Stern war dazu vor drei Tagen zu lesen „Keiner will die dicke Barbie kaufen – Umsatzeinbruch bei Mattel“. Denn Barbie gibt es seit 2016 in einer „Fashionista“-Reihe in größerer Vielfalt an Haarstyles, Hautfarben und Körperformen. Also, es gibt jetzt auch eine Barbie, die ungefähr der Konfektionsgröße 38 entspricht. Das ist die Dicke. (Aha, STERN.)
Diese Barbie wollten, so steht es allerdings in dem Artikel, die Leute noch weniger kaufen als ihr „traditionelles“ Pendant in blond mit einem Oberkörper, in dem die lebenswichtigen Organe nie Platz hätten. Steht zwar so nicht ganz in den öffentlichen Quartalszahlen, aber fragen wir trotzdem mal: Ist also das Projekt vielfältigere Körper im Kinderzimmer gescheitert? Sollte sich vielleicht mit Feminismus doch nicht jeder Sch*** problemlos verkaufen lassen, wie wir in den letzten Monaten überall zu hören bekamen (Stichwort: 500 Euro Dior Shirt mit „We should all be feminists“ Aufdruck)?
Nun ja, das Problem war vielleicht auch, dass die Größe 38-Barbie im Barbie-Universum eben nicht die Puppe war, die „normal“ war, weil sie aussah wie eine „normale“ Frau (die im Durchschnitt 40-42 trägt, aber das nur am Rande), sondern eben das, als was sie auch in der Berichterstattung im letzten Jahr immer wahrgenommen wurde: Eine Ausnahme, ein Sonderfall. Das ging schon damit los, dass man sie bei den großen Spielzeugketten oft wie die Nadel im Heuhaufen suchen musste. Und wenn sie doch im Sortiment war, dann stand sie als Sonderling in einer Reihe blonder, langbeiniger Schwestern. Die konnten dann, gemäß dem Slogan von Mattel, tatsächlich alles sein, ob Kinderärztin, Pilotin oder Programmiererin mit Laptop, aber eben auch Fee oder Prinzessin.
Die Möglichkeiten für die Barbie mit Hintern waren allerdings eher beschränkt. Ihr passten ja nur ihre paar Fashionista-Sachen und die Beschränktheit ihrer Welt wurde genau hier sehr deutlich, an ihrem Hintern. Über den bekam man nämlich die normalen Barbieklamotten nur schwer drüber. Mädchen, die mit ihr spielen wollten (Wie meine Tochter, ja, hier gibt es Barbies, jetzt ist es raus.) wurde so immer wieder ins Gedächtnis gerufen, dass mit dieser Barbie irgendetwas nicht stimmte. Auch wenn sie das vorher vielleicht gar nicht fanden. (Danke, Mattel.) Übrigens galt Barbies Inkomptabilität nicht nur für Hosen, sondern auch für Alltagsgegenstände. Größe 38-Barbie hatte auch so ihre Probleme mit so manchem fahrbaren Untersatz, nicht so viel Platz im Whirlpool und blieb einmal sogar fast im Fahrstuhl stecken.
Um es ernst zu meinen mit der neuen Puppe (und dem Spielerlebnis), wäre Mattel also ganz gut beraten gewesen, auch eine Welt mitzuliefern, in der man mit ihr spielen könnte. Denn das Anfangsinteresse war durchaus groß, über 20% stiegen die Umsatzzahlen im dritten Quartal 2016 nach dem Launch der neuen Reihe. Außer im Erstwerbespot tauchten die neuen Barbies dann aber kaum mehr auf. In der Folge trat Barbie 2016 noch als Hundesitterin und Weltraumabenteurerin auf (mit coolem Hooverboard), aber sowohl die dazugehörigen Filme als auch die Spots wurden wieder nur mit den altbekannten Körperformen produziert. Womit wir schon beim eigentlichen Knackpunkt wären. Warum die Größe 38-Barbie weniger gekauft wurde, lag wohl schlicht und ergreifend daran, dass sie nach dem Launch kaum noch Medienzeit bekam. Dass es nicht darum ging, dass Kinder lieber die ganz dünnen Puppen haben wollen, sieht man schon daran, dass auch die Verkaufszahlen der noch dünneren Monster High-Puppen (gern auch komplett mit Korsagen und Netzunterwäsche geliefert) ebenso einbrachen.
Kinder wollen das, was ihnen in unserer Konsumwelt mit 3.000 Werbebotschaften täglich so in den Kopf gehämmert wird, dass sie fast nicht anders können. Seit meine Tochter sich dem Kinoalter nähert, fällt mir erst einmal auf, wie viele Filme für Kinder so Woche für Woche starten. Alle flankiert vom entsprechenden Merchandising und riesigen Werbeetats. Einfach nur etwas in den Spielzeugladen stellen und dafür Werbung machen, reicht heute schon lange nicht mehr aus. Sicher auch ein Grund, warum Mattel-Konkurrent Hasbro, der die Lizenz auf Disneypuppen besitzt, weitaus besser dasteht. Das sieht Mattel wohl genauso und hat kurz nach dem Quartalszahlendebakel angekündigt, einen großen Barbiekinofilm zu produzieren. So, liebes Mattel-Management, wenn ihr es wirklich ernst meint mit den diversen Puppen und ihr die Lager leer bekommen wollt, dann lasst doch mal so eine Puppe darin mitspielen. Kostenloser Pro-Tipp von mir. Und vielleicht baut ihr ihr dann sogar noch ein Campingbett, in das sie reinpasst.
Foto: flickr – horantheworld – CC by 2.0
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Die Konfektionsgrößen, denen darüberhinaus gehende Zuschreibungen konnotiert sind, gehören auf den Scheiterhaufen der Kleidungsgeschichte.
Amen. 👍In Großbritannien gibt es ein Label, das verkauft nur die Größen „lovely“, „beautiful“ und „gorgeous“.
Funktioniert nur als Ausnahme. Sobald alle Labels ihre Kleidergrößen so umbenennen, wird die Konnotation sich anpassen und irgendwann heißt „lovely“ schlank und „gorgeous“ fett. Zahlen an sich sind ja auch völlig neutral.
Kaufen würde ich bei dem Label übrigens nicht gern – ich hätte keine Lust, erstmal in einer Tabelle zu suchen, wie jetzt eine oder zwei Nummern größer heißen. Online ging’s ja noch, aber im Laden wühlen auf der Suche nach passenden Größen? Ohje …
Da hätte ich persönlich ja lieber genormte Kleidergrößen, damit ich wenigstens überall die gleiche Größe trage und mir nicht für jeden Laden eine andere Nummer merken muss, weil’s überall anders ausfällt.
Mit der Anpassung hast du wahrscheinlich recht. Ich finde allerdings immer, dass die Größen eben nicht genormt sind, ich trage zum Beispiel bei Zara „40“ und bei H&M „36“.
Fast hätte ich zynisch behauptet, dass bei H&M die Größen kleiner ausfallen, da sie durch Kinderarbeit hergestellt werden.